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  [record reviews: phanerothyme]




Motorpsycho
Phanerothyme

Review of Phanerothyme taken from the
German indie magazine
INTRO, September 2001.
German.


Motorpsycho - «Phanerothyme» - cover - front  

Motorpsycho
Phanerothyme
Stickman / Indigo

Ich habe nachgeguckt: Den Begriff gibt es gar nicht. Aldous Huxley hat ihn erfunden, um etwas positives über Psychedelia zu formulieren. Weiß der Henker, was der Herr gerade geraucht hatte, jedenfalls steht im Lexikon nichts davon. Sehr wohl aber, dass der Phanerophyt eine Pflanze ist, die ungünstige Jahreszeiten überdauert. Und, dass eine Phanerose das Sichtbarwerden von sonst nicht erkennbaren Einzelheiten ist. Das kann doch kein Zufall sein! Diese Norweger. Tausendsassa. Auf solch sublime Art und Weise jubeln sie uns ihre Philosophie unter. Einfach am Wegrand sitzenbleiben und alle anderen in die Retrohöllen stürzen lassen, um davon unbeeindruckt ihre Liebe zu Vergangenem erneut durch ihre Röhrenamps zu jagen. Dabei heraus kam zuletzt »Let Them Eat Cake«, eine authentische Wiederbelebung des süßlichen Popsongs, den zu schreiben Ende der Sechziger noch der Job der Doobie Brothers und Emerson, Lake And Palmers gewesen war.

Mit »Phanerothyme« liegt nun die perfekteste Motorpsycho-Platte überhaupt vor. Ein Ergebnis aus vielen Versuchen. Das Chartalbum war ihnen mit »Blissard« leider nicht gelungen. Es war einfach zu früh, »Timothy's Monster« war zwar selbiges, aber einfach zu groß, zu vielfältig, zu persönlich. Mit »Angels And Demons At Play« hatte es seine eigene Bewandtnis, vielleicht ist es heute noch das schwierigste Album auf dem Weg zur Definition dessen, was Bent, Snah und Gebhardt überhaupt wollten: den perfekten Popsong oder das Prog-Rock-Epos. Im Grunde stellen sie sich immer wieder der Frage nach »letting yourself go« oder »playing a groovy tune«, um einfach mal im Jargon der Zeit zu bleiben, in der die Partridge Family zum Massenphanero ... ähm, -phänomen geworden war und aus dem Radio genau das dröhnte, was Motorpsycho zu ihrer Sache machen. Unter Dreingabe eines kleinen Symphonieorchesters wandert das neun Stücke umfassende Album durch Grenzgebiete epischen Jazz-Rocks, vorbei an zerbrechlichen Balladen im Geiste Tim Buckleys (meinetwegen auch des inzwischen zum Vorzeigetrauernden mutierten Nick Drake, obwohl: Eine Bitte, lasst ihn in Frieden ruhen! Er wäre nie VW-Golf gefahren!!!), hin zum Tiefpunkt und gleichzeitig großartiger Adaption von »Go To California« – Gott weiß, ich habe es immer gehasst. Hier schaut schließlich etwas unangenehm die Band des Lizard Kings Jim Morisson um die Ecke, was nicht weiter stört, ist es doch schnell vorbei.

Das schönste an »Phanerothyme« ist, neben den Vokalsätzen, an denen sich die Band auf Messers Schneide doch noch erfolgreich beweist (so gerade konnte noch nie ein Ton wackeln), die nahezu perfekte Einkleidung der Stücke, also die Authentizität des Sounds, wobei ich gerne noch mit den drei Trondheimern persönlich klären möchte, was Authentizität für einen Sinn macht und ihnen bedeutet – außer vielleicht Abkehr vom Jetzt. Außerdem liegen Motorpsycho auf ihrem inzwischen achten Album geradezu schlafwandlerisch richtig, was Arrangements betrifft, egal, ob sie dabei Helden wie King Crimson oder ELP nacheifern.

Vielleicht stimmt es für die Zukunft, dass Motorpsycho mit der nächsten Platte immer ihre beste machen. Eine sichere Bank, ein Phanerophyt, hihi...

Carsten Sandkämper