Motorpsycho: Trust us
Review from the German music-periodicum TESTCARD - Beiträge zur Popgeschichte #6 / October 1998. In German.
Motorpsycho
Die verschiedenen Linien der Rockmusik sind geläufig: Bluesrock, Jazzrock, Folkrock,
Classicrock, Artrock und so weiter. Ist mit solchen Differenzierungen aber darstellbar,
was hier den Rock zum Mainstream macht, dort zum Indie-Rock? Wenn gegenwärtig der Rockismus
kritisiert wird, kann das kaum auf zum Beispiel Blues-Harmonik, die Kritik der Pentatonik,
als solche gebracht werden. Nur wer gänzlich sein Ohr auf Bejahung der Welt abgestellt hat,
kann ernstlich in der Spannung der verminderten Quinte den Angriff gegen seine heile Popwelt
wittern. Es wird nun von klugen Köpfen stets sie fragwürdige Attitüde des Rock ins Spiel
gebracht - und das meint (zu recht) zunächst die Faktoren Bühnenpräsenz, Haltung, Intention
und damit vermittelt durchaus auch soetwas wie Glaubwürdigkeit. Aber die Kritik der
Rockattitüde wäre auch auf die musikalischen Strukturen selbst zu bringen und in gewisserweise
ist die gegenwärtige popdiskursive Kritik am Rockismus ja vergleichbar mit der Kritik des
Ornamentalen, die im Namen von Funktionalismus und Sachlichkeit vor knapp einem Jahrhundert
ins kulturelle Feld geführt wurde: es geht um die Schnörkel, die sinnlosen, aber
sinnversprechenden Verzierungen - das kann programmatisch lange Haare und Bühnengehampel
ebenso meinen wie ins Leere laufendes Gegniedel an den Instrumenten (daß mithin die
verteidigte Popmusik mindestens genauso überfüllt ist mit ornamentalen Ausdrucksversprechen,
sei einmal dahingestellt). Was hieße aber konsequente Sachlichkeit im Rock?
Pauschal gesprochen: alles was das "Motorpsycho Label Stickman Records" (Eigendarstellung)
jüngst veröffentlicht hat, vermag auf diese Frage musikalisch Antwort zu geben, allen voran
Motorpsychos Trust us. Hier wird sich um begriffliche Zuordnungen kaum
Gedanken gemacht; statt dessen wird zitiert, aber nicht, um eben die Musik mit Ornamenten
zu überfüllen, sondern um sie auf die Stringenz der Sachlichkeit zu bringen. Das drückt sich
nicht zuletzt auch in der Instrumentation aus: neben verschiedensten Blasinstrumenten sind
Säge und Theremin zu hören, wie selbstverständlich auch ein Mellotron. Dazu kommt viel
Effektarbeit, vor allem durch übersteigerten Chorus und Phaser.
Roger Behrens
|