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        Artikel & Interviews
  Motorpsycho: Wandel als Konstante

Interview with Bent / band feature
on occassion of the Phanerothyme release
taken from the website of German online media retailer
AMAZON.DE, September 2001.
German. Found at the amazon site.


Bent live in 2000  

Norwegens Vorzeige-Indies Motorpsycho gehen weiter auf ihrem Weg in Richtung perfekter Song, und mit Phenerothyme halten sie den Kurs, den sie mit Let Them Eat Cake eingeschlagen haben. Eher ruhig und bedächtig, aber mit versteckten Perlen gespickt gehen sie hier zu Werke, und die Fans gehen mit, denn auf dieser Reise ist der Weg das Ziel, die Veränderung das einzige konstante Element.

Amazon.de: "Heavy Metall Iz A Poze And Hard Rock A Laifschteil" habt ihr eurer Album Roadwork Vol 1 im Untertitel genannt. Was ist denn der wohlklingende, freundliche Stil eures neues Albums Phanerothyme?

Bent Sæther: Die logische Fortsetzung auf alles, was vorher geschah. Wechsel ist die einzige Konstante im Motorpsycho-Universum, und du musst tun was du zu tun hast.

Amazon.de: Es ist medizinisch erwiesen, dass der Mangel an Sonnenlicht zu Depressionen führen kann. Wie sehr beeinflusst die geographische Lage eurer Heimatstadt Trondheim dein Songwriting und deine Emotionen. Gibt es eine Zeit im Jahr, wo du blockiert bist?

Bent Sæther: Ich finde den Sommer schwierig, was meine Konzentration betrifft. Das liegt daran, dass alle die Stadt verlassen haben und sich die Kreativität im Winterschlaf befindet. Trondheim als Location beeinflusst mein Songwriting eher auf der Ebene von 'Heimatgefühlen' und als Zone, in der ich mich sicher fühle.

Amazon.de: Hast du eine Erklärung, warum skandinavische Gruppen wie OP:L Bastards, 22 Pistepirkko, Anywhen, PanSonic, Björk, Sigur Ros oder auch Motorpsycho im Fokus der Medien stehen und warum fast jede Gruppe einen ganz einzigartigen Sound kreiert hat?

Bent Sæther: Ich habe keine Ahnung! England verfügt über eine unglaublich große Presselandschaft aber wenig musikalische Talente. In den USA werden mehr Gedanken ans Geldmachen verschwendet als daran, etwas Einzigartiges zu kultivieren. Also müssen die Menschen woanders hinschauen, um ihre Kicks zu bekommen. Die zunehmende Verfügbarkeit des Internets macht es denjenigen leichter, die suchen um zu finden. Warum Skandinavien so weit an der Spitze steht, liegt vielleicht daran, das dort etwas Besonderes existiert. Eine Künstlerin wie Björk kann ja nicht aus einem Vakuum kommen.

Amazon.de: Helge Sten alias Deathprod war einst ein Vollmitglied der Band und ist nun als Produzent 'nur' noch Teilmitglied. Wie wichtig ist dieser Mann, der einerseits ein Gefühl für Gitarrenmusik besitzt, sich andererseits grandios mit bizarren elektronischen Klängen wie bei der ebenfalls norwegischen Gruppe Supersilent versteht?

Bent Sæther: Deathprod ist ein Soulbrother für uns. Wir sind mit ihm musikalisch groß geworden in den letzten 10 Jahren, also gehört er zur Gruppe. Er verfügt über so viel mehr Sachverstand auf vielen Gebieten. Gerade im Studio ist er unglaublich wertvoll als eine Art Übersetzer und Vermittler zwischen Gruppe und Technik. Außerhalb seiner Co-Produzentenarbeit aber ist Helge nicht an Entscheidungsprozessen beteiligt. Er hat ja auch genug Arbeit mit seiner eigenen Band.

Amazon.de: Fast zeitgleich mit Phanerothyme hat Deathprod Supersilent produziert. Deren Album klingt kühl und klar, eures dagegen voll und warm.

Bent Sæther: Produzieren bedeutet doch immer, den richtigen Sound für die richtige Musik zu finden. Wir unterscheiden uns sehr von Supersilent. Die nehmen direkt auf 2-Spur auf, wir gehen in ein großes Studio.

  Motorpsycho
Szenen? Wozu?

Amazon.de: Beim Hören des Gesamtkataloges mit seinen vielen Genrestylen von Motorpsycho scheint es, als existierten vielen Gruppen in euch.

Bent Sæther: Ich sehe, was gemeint ist. Wir sind drei Individuen mit individuellen Ideen. Nach 12-jährigem Zusammensein entstehen automatisch Veränderungen. Motorpsycho ist ein sich stets weiter entwickelndes Projekt, das hoffentlich immer besser und interessanter wird.

Amazon.de: Hältst du eure vielen Fans für speziell, also offen und intelligent? Egal, welchen Stil ihr gerade spielt, eure Platten setzen sich an die Spitze etlicher Charts, konnten sich sogar in Deutschland platzieren. Basiert die Zuneigung eurer Anhänger auch darauf, wie ihr sie behandelt? Damit ist zum Beispiel die immer sehr liebevolle Covergestaltung oder Hilfe eures Labels Stickman gemeint.

Bent Sæther: Für uns sind sie etwas Besonderes. Es scheint, als sind es Menschen, die sehr bewusst Musik hören. Wir verkaufen weder Platten noch Konzerttickets an Teenie-Boppers, aber an aufrichtig interessierte Fans. Deswegen fühlen wir uns verpflichtet, so gut als möglich auf allen Ebene zu sein.

Amazon.de: Fühlt ihr euch als Teil einer Szene und gibt es solche, von denen ihr euch fern haltet?

Bent Sæther: Wir gehören keiner Szene an und vermeiden es, zu etwas zu gehören, das gerade cool und angesagt ist. Wir sind stolz, wir selbst zu sein unter eigenen Bedingungen, anstatt als Franse irgendwo dran zu hängen. Selbst wenn wir wollten, würden wir in keine Szene zu integrieren sein.

Amazon.de: Gibt es einige Besonderheiten zu Phanerothyme zu erzählen?

Bent Sæther: Das Album wurde im Studio des AHA-Produzenten in Oslo aufgenommen. Außerdem stammen die Streichersätze von den Oslo Philharmonikern, die Bläser von jungen Jazzern aus Oslo.

Amazon.de: ...und der Titel der Platte...?

Bent Sæther: ...ist eine Wortneuschöpfung von Aldous Huxley aus dem Jahre 1957. Sie versucht das zu beschreiben, was später psychedelische Experimente waren. Huxleys Begriff wurde nie ein Terminus und deshalb schnell vergessen.

Arbeitstiere

Amazon.de: Ihr könnt spielen wie Engel, aber auch wie die Teufel. In wie weit spiegeln die Emotionen eurer Songs zwischen Einsamkeit und Freude, Wut und Hoffnungslosigkeit das wahre Leben ihrer Erzähler wieder?

Bent Sæther: So sehr, wie ehrliche Expressionen von Künstlern sein können. Natürlich ziehen auch wir ab einem bestimmten Punkt die Schutzschilde hoch. Aber Musiker zu sein, bedeutet immer auch, sie wieder fallen zu lassen.

Amazon.de: Ihr habt sehr lange auf einem hohen Niveau gearbeitet, ward stets auf Tour, im Studio oder Proberaum. Wo nehmt ihr die Energie her?

Bent Sæther: Wir tun es einfach. Es gibt keine Alternative.

Amazon.de: Von Lärm und Feedback zu Melodien und Streichern: Ist dieser Schritt altersbedingt oder intellektuell?

Bent Sæther: Beides! Nach 12 Jahren besteht die Gefahr eine Parodie seiner selbst zu werden. Wechsel sind deswegen unbedingt notwendig.

Amazon.de: Ihr müsst einen tiefen Einblick ins Musikgeschäft haben. Seit ihr in Fallen getappt und wie geht ihr mit dem Business um?

Bent Sæther: Unser Bedarf ist gedeckt und wir sind auf eine gesunde Art paranoid. Wir versuchen weitgehend selbstständig zu bleiben und das Tempo selbst zu bestimmen. Vielen Leuten trauen wir nicht und wir werden auch nicht reich... aber dafür haben wir die Kontrolle.

Amazon.de: Welche Frage hasst ihr in Interviews am meisten und welche wird immer wieder gestellt?

Bent Sæther: Die häufigste Frage: Warum spielt ihr Song X, Y, Z nicht mehr? Die meist gehasste Frage: Welche Art von Musik spielt ihr eigentlich.

Sven Niechziol