Article / Interview
taken from the German fanzine
BIERFRONT #3 / March 1995.
German. Interview found in the depths of the mighty Stickman archives.
Thanks to Jeanette!
Norwegens psychologische Motoren hinterlassen wieder Spuren im Schnee. Ihr Weg aus den
kalten Trondheimer Polarnächten ins Innere dauert manchmal nur zwei Schneeschippen
lang, bis zum Proberaum, indem sie ihr Spektrum aus hypnotisch, leicht groovenden
Endlos-Psychedelic-Stücken, Lärm, Gitarren-Popsongs und simpel schönen Folk-Country-Balladen
erweitern. Haben sie sich ganz freigeschaufelt, gehen sie auf Tour.
Aus dem Mid-Achtziger Hardcore wuchsen MOTORPSYCHO nach und nach zu einer Band,
deren Songs nach allen Seiten hin offen zu sein scheinen, ohne sich in ein gängiges
Korsett hineinpressen zu lassen. So vermutet man wohl nicht ganz zu unrecht, daß eine gewisse
Art von Abgeschiedenheit - nicht zu verwechseln mit mit weltfremdem Verhalten -
den MOTORPSYCHOs zu Gute kam. Ihr neues Werk "Timothy's Monster" darf sich dann auch über
2 CDs bzw. einem 3 LP-Box-Set mit über zwei Stunden Länge ausbreiten, ohne allzu viele
Durststrecken aufzuweisen, die Norweger ohnehin nur widerwillig akzeptieren würden. Die
Instrumentierung ist so reichhaltig wie ein Krämerladen: Banjos, Gitarren, Piano, cello,
viola, cymbals, samples, vibraphon, drums, percussion, bass etc. etc. etc. . Und fast jeder
Song kann auch für sich alleine bestehen, ohne daß das Album "Timothy's Monster"
auseinanderfällt. Epische, sanft und doch tief wirkende Halluzinogene wie das ca.
17minütige "The Wheel" suggerieren Mittel der 60er Jahre in einem aktuelleren Kontext,
der weit entfernt von Hawkwind, aber auch von Monster Magnet liegt. Fast gegensätzlich dazu
das Titel = Programm, bösartige, monotone "Grindstone", das in einem Fiep-Feedback-Dialog
von Drums, Sänger und Gitarrist infernal endet.
Ähnlich wie die sehr unterschiedlich wuchernden Ideen, ist auch Aufnahmetechnik und Ort
gewählt: Das reicht von normaler Studio-Produktion bis hin zu 4-Track-Aufnahmen in Bent's
Wohnzimmer. Als ein nicht zu unterschätzender Geräusch-Quellen Lieferant agiert im
Hintergrund einer unter dem Namen DEATHPROD. Für's melodiösere Songwriting ist dann
wieder Bent Sæther verantwortlich, nur: so einfach trennen kann man das alles nicht.
Auf ihrer letzten Maxi befinden sich letztlich eher popige Ohrwürmer wie "Wearing Yr
Smell", die man sich vielleicht von Nova Mob, Dinosaur Jr. und Konsorten mal gewünscht,
aber schon lange nicht mehr bekommen hat. Und plötzlich der Mut zum Risiko, eine
Piano-Low-Fi-Aufnahme, wie man sie sonst Daniel Johnston zutraut; "Jr. Birds" läßt
einen staunend zurück. Sollte es irgendwann einmal, in nicht allzu ferner Zukunft EG-Normen
für Studios und Produzenten geben, so haben MOTORPSYCHO Glück gehabt. Das die Band
jetzt in Norwegen bei Harvest / EMI unter der Vertrag ist, bleibt ein - wenn auch
wenig erfreulicher - nebensächlicher Punkt, dem sie auf einer auf 300 Stück
limitierten Promo-Maxi ein wenig selbstironisch kommentieren. Zu "Working for MCA" lauten
die Liner-Notes: "We're only in it for the money, not-on-the-album-version! (A lame
smart-ass-sell-out-excuse)". In Deutschland vertreibt Stickman Rec. (Indigo / Semaphore)
allerdings die Norweger.
Interview mit Gitarrist SNAH M. RYAN (SR)
BF: Ihr benutzt eine Menge Stilarten, unterscheidet Euch aber doch erheblich von dem,
was man heute so Crossover nennt. Welche Gründe gibt es dafür?
SR: Ja, ich kenne einige Bands aus dem Crossover-Bereich, aber ich weiß nicht, was uns
'unterscheidet'. Vielleicht, weil wir in diesem weit entfernten Land hoch im Norden,
in Trondheim gestrandet sind, und weil die langen, dunklen Winter und hellen Sommer
eine gewisse Wirkung auf unsere Gedanken haben. Aber eigentlich spielen wir einfach
nur gute Songs, ohne uns an irgendwelchen Schubladen zu orientieren; so kann ein guter
Song als Country-Tune oder Heavy Metal Riff-Raff daherkommen.
BF: Wie sieht's in Norwegen mit der musikalischen Szene aus, sind die Kids dort auch
so fixiert auf MTV? Lebt ihr gern in Trondheim?
SR: Ja, MTV ist auch groß in Norwegen und die Medien kontrollieren alles, genau wie
in jedem anderen europäischen Land. Die norwegische Tradition von "selling music to the
rest of the world" ist allerdings eine seltsame Geschichte, aber wir benutzen keine
etablierten Kanäle, also kümmert's uns nicht.
Trondheim ist ein idealer Platz zum proben und relaxen. Aber wenn wir uns langweilen,
dann gehen wir auf Tour.
BF: MOTORPSYCHO ... mögt ihr Autos, Bikes, Psychos? Welche Charakteren würdet ihr euch
selbst geben?
SR: Wir sollten sein wie ... Biker. Aber ich kenne keinen von uns, der irgendetwas
ist, als etwas anderes zu sein. Ich denke, wir sind mehr 'Psychos' als Biker. Wir alle
endeten anstattdessen unglücklicherweise als Spieler von elektrischen Gitarren,
schade ...
BF: Die Norweger haben mehrheitlich den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft
abgelehnt. Wird es nun härter, norwegische Bands an EG-Mitgliedsländer zu exportieren?
Ähem, äh, was meint ihr?
SR: MOTORPSYCHO litt unter ewig langen, internen Diskussionen, die uns keine
Hoffnung ließen, eine Übereinkunft über unsere zukünftige Haltung gegenüber den
EG-Ländern und dem System zu finden. Aber wir alle finden, Norwegen sollte mehr
gute Musik anstelle von Fisch und billigen Black-Metal-Bands exportieren! Im übrigen
ist es schwer, die Resultate der "Wir bleiben alleine"-Haltung vorauszusehen.
Vielleicht werden wir das neue Albanien? Das wär irre komisch.
BF: Zurück zur Musik, welche Musik haßt ihr? Und was ist die beste Zeit und der
richtige Moment für einen Motorpsycho, um Songs zu schreiben? Alleine? Zusammen?
Im Winter?
SR: Verschiedene Leute haßen verschiedene Musik aus verschiedenen Gründen. Aber
natürlich haben wir auch unsere gemeinsamen Haß-Objekte.
Ich persönlich haße die neue Welle satanischer Nazi-Metal-Bands, weil sie so eeeeeeeh
sind. Sie sind nur superdämlich! Schwedische Dancefloor-Musik ist auch nicht gerade
das, was bei mir ankommt ...
Songs entstehen in Bent's Wohnzimmer, oder in unserem Tourbus-Cockpit oder sonstwo.
Es muß einmal gesagt werden, daß die wahre Kunst, Material oder Musik zu erschaffen,
nur durch die Inspiration des heiligen Geistes entstehen kann. Das hört sich blöde an,
aber wenn es einen guten Sound hervorbringt? Hmmm. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit,
daß die MOTORPSYCHOs zu wiedergeborenen Christen werden? Das wirst du auf der nächsten
Platte hören.
BF: Gibt es irgendetwas Seltsames, was der Band oder einzelnen Mitgliedern bislang
passiert ist?
SR: Etwas seltsames - mal nachdenken - ja:
s d a G S A S J H S D A J D A H F D Ö E W U Ü = W ) R $ = )(r$*)$*?
NEUANZEIGE T)=`?%ü)*%$?)%GT)?Ü
Entschuldigung. Die Zensur aus der hinteren Hirnhälfte hat wieder zugeschlagen. Eine
schwierige, nicht leicht zu beantwortende Frage.
BF: Bester und schlechtester Drink Norwegens. Ist das Zeug schwer zu bekommen?
SR: Bei mir zu Hause ist Orangenlimonade mit warmen Wasser und einer Limonen-Scheibe
der Hit. Die anderen Jungs von uns sind eher wild auf französischen oder italienischen
Espresso. Aber ich glaube, diese Drinks sind der übliche, populäre, kontinentale
Durchschnitt. Außerdem nicht alkoholisch, und ich meine, ihr wollt lieber unsere
lokalen Spezialitäten kennenlernen. Also, hier das Rezept:
k a r s k:
- 1/2 Tasse (dünnen, manche nehmen auch starken) Kaffee
- 1/2 Tasse selbstgebranntes Alkohol-Destillat, welches je nach Sorte, 90-95% Alkohol hat.
Natürlich schwarzgebrannter!
Ergebnis: Du bekommst den Speed vom Kaffee, dein "Ich-bin-voll-daneben-Gesicht" vom
Destillat.
Es ist der meist gebräuchlichste Hard-Drink für (zuviele) Norweger am Wochenende, eine
Art Drink, der dein Kurzzeitgedächtnis und dein menschliches Verhalten völlig
zusammenbrechen läßt! Töte Deinen Nachbarn oder deine Frau: High on Karsk!!!
BF: Was habt ihr außermusikalisch für Interessen, und was für sonstige dumme Arbeiten
habt ihr zu verrichten? Zukunftspläne, Nebenprojekte, alles mögliche?
SR: Wir verrichten alle Gartenarbeit im Sommer, im Winter müssen wir Schnee schaufeln.
Davon abgesehen, ist unser Drummer Gebhardt ein fantastischer Banjo-Spieler und Ski-Freak.
Allerdings kein Slalom, das wär zu hart. Aber sonst sind wir in jedem erdenklichen
Lebensstil mit Musik beschäftigt, zu schade, das wir nicht noch mit unserer Iron-Maiden
Cover-Band proben können, die Tour geht los am 1. März und bringt uns nach Deutschland,
Niederlande, Belgien, Schweiz, Italien.
Wir sind also genug beschäftigt. Wir werden ein paar geile Konzerte geben, ein paar neue
Gesichter sehen und außerdem noch vor Juli ein neues Album aufnehmen. Einige unserer
Nebenprojekte wurden als CDs rausgebracht. THE TUSSLER ist eine Spaghetti-Western-Psychosis,
erschaffen von einem seltsamen Italiener namens THEO BUHARA. Der Soundtrack sollte bald
in Europa zu haben sein: Banjos und Steel-Guitars, complete.
DEATHPROD., unser Noisegeneratic-Hintermann, hat auch seine CD herausgebracht, Titel
"Towboat". Er spielt auch einige Festivals in Europa mit seinem Kram, der sich anhört wie
eine Ambient-Metallic-Melancholic-Monotonous-Regression-Therapie.
Alles klar?