Interview
taken from the Swiss e-zine
BOX, 1999.
German.
Motorpsycho, das steht für lang anhaltende Konzerte, Seifenblaseneskapaden Richtung
Psychodelia und tragende Gitarrenklänge die mächtig mitreissen. Am Mittwoch, dem 28.
April, war es wieder einmal soweit. Das im Underground überaus gelobte norwegische
Trio machte Halt im Gaskessel - das einzige Konzert im Schweizerlande. Dementsprechend war
auch der Andrang. Aus der ganzen Schweiz fanden sich gleichgesinnte Motorpsychianer zusammen,
allen voran das Bieler Publikum, das die Band seit einiger Zeit besonders ins Herz
geschlossen hat.
Box: Was hat es eigentlich mit dem Bieler Publikum auf sich, warum kommt ihr immer wieder
hierher?
Bent Sæther: Uns gefällt es hier, die Leute scheinen uns gut zu mögen und die ganze
Atmosphäre ist einfach gemütlich. Angefangen bei den Leuten die das Konzert veranstalten bis
zu den Zuschauern. Wir fühlen uns zuhause hier, eben unser "little Swiss home", weit weg von
Zuhause. Eine Motorpsycho Europatour ohne Halt in Biel wäre ein Fehler.
Ist das Touren eigentlich eine lästige Anstrengung oder eine grosse Freude?
Je nachdem, es kann durchaus beides der Fall sein. Solange die 2 oder mehr Stunden auf der
Bühne für uns zufriedenstellend verlaufen, ist es wahrhaftig eine grosse Freude. Spielen wir
aber schlecht oder laufen die Dinge allgemein nicht so, wie wir es gerne hätten, dann gibt
es nur eins zu sagen: "touring is a bitch".
Ihr seid ja nicht die ganze Zeit unterwegs, wie sieht euer Alltag sonst aus?
Wenn wir nicht im Studio oder auf Tour sind, was etwa 4 Monate pro Jahr ausmacht, arbeiten
wir in Trondheim an unseren Songs, d.h. 5-6 Mal pro Woche. Unsere Arbeitsweise ist sehr
diszipliniert, denn nur so kommen wir in der Musik weiter. Diese Disziplin hat sich für uns
durchaus bewährt. Damit haben wir genug Zeit für das Songwriting, die wir meistens auch
benötigen. Wir können in Extremfällen bis zu 2 Monaten an einem einzigen Arrangement
rumfeilen. Anderseits gibt es auch Songs die im Moment entstehen und dann auch so bleiben.
Eure Songs sind dem Rock verpflichtet. Was hältst du von all der Elektro und Dancefloor
Musik, könntest du Dir vorstellen mit solchen Einflüssen zu arbeiten?
"There are no limits." Wir sind offen für alles. Nur, dazu bräuchten wir jemanden, der einen
solchen Input in die Band einfliessen lassen würde. In Norwegen sind aber solche Leute schwer
zu finden. Eine Ausnahme bildet der Typ von "Biosphere", einem Techno-Ambient Projekt, den
wir sogar persönlich kennen. Vielleicht werden wir in der nächsten Zeit - das heisst aber
noch nichts Konkretes - näher mit zusammensitzen.
A propos Norwegen, wie sieht eurer Status dort aus? Seid ihr die grossen Stars
dort?
Nein, keineswegs aber wir können davon leben. Wir ziehen halt unser kleines Ding neben dem
ganzen Mainstream schon so lange durch, dass wir eine grosse Integrität in Norwegen
geniessen. So kommt es, dass ich von norwegischen Stars Anfragen für CD Produktionen
bekomme, damit sie ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit oder wer weiss was erlangen können.
Wir sind nach wie vor so etwas wie eine Geheimband, auch weil wir weitab vom grossen
Musikbuisness in Oslo leben.
Ihr bewegt euch also vor allem im Untergrund, seid ihr zufrieden damit?
Ja, das macht uns keine Probleme. Gott, wenn es geschieht, dass ich auf einmal eine
Hitsingle schreibe und 200 000 Scheiben verkaufe, dann bin ich happy, das wäre überhaupt
kein Problem. Ich bin aber genauso glücklich, ist dies nicht der Fall. MTV, Grösse und hohe
Absatzzahlen waren nie unsere Ziele. Solange ich davon leben kann und das ganze Unternehmen
um Motorpsycho Sinn macht, dann ist dies in Ordnung.
Wie wichtig ist dir eigentlich die Live Musik, welchen Zweck hat sie?
Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Arten Musik. Im Studio arbeitest du an Kompositionen
und willst diese natürlich so perfekt wie möglich hinkriegen, wie du dir das vorher im Kopf
ausgemalt hast. Live sind die Songs für uns so etwas wie ein Ausgangspunkt, d.h. nach dem
Anfangsteil können wir uns vom fixen Gerüst loslösen und ausprobieren, was immer wir wollen.
Je nach Konzert verändert sich dieser Teil gewaltig. Nach einem abgemachten Zeichen kehren
wir dann wieder zurück und spielen den Song dann zuende. Wir spielen sozusagen immer einen
neuen Song. Das hat damit zu tun, dass wir live immer weiter gehen wollen. Wenn dies klappt,
dann ist es das Beste auf Erden, dann geht es irgendwo hin, wo wir noch nie zuvor waren. Wir
erforschen neue Welten und es wird magisch.
So versuchst ihr also einen magischen Zustand zu erreichen?
Ja, das kann man so sagen. Du versuchst zu transzendieren, abzuspacen. Es ist einfach dieser
verrückte musikalische Orgasmus, obwohl ein Klischee, aber wenn es klappt, gibt es nichts
vergleichbares.
Wie war's denn letztes Jahr hier, magst du dich noch erinnern?
(Überlegt eine Weile) Ich hatte etwa eine halbe Stunde bis ich wirklich in Stimmung war. Dies
ist aber oft der Fall, du musst einfach in die Musik reinkommen. Die ganz schlechten Konzerte
für mich, sind diese wo ich ausserhalb der Musik stehe und mich anschaue, wie ich spiele. Ich
schaue also nur zu. Bei jedem Konzert fängst du also aussen an und plötzlich bist du drin.
Wenn du dann drinnen bleiben kannst bis die Show vorüber ist, dann scheinen 2 Stunden wie
5 Minuten.
Was soll eigentlich der Titel eures ersten Livealbums "Heavy metal is a pose, hard rock
is a life stile"?
(Lacht) Wir spielten viel in Deutschland und unser Mischer kann sehr gut die
englischsprechenden Deutschen nachmachen, solche mit starkem Akzent versteht sich. Auf der
letzten Tour wurde dann auf einmal dieser Satz zum Motto unserer Tour. Wir alle fanden das
sehr amüsant. Aber nicht alle reagierten positiv auf den Titel, den wir auch auf T-Shirts
gedruckt hatten. Waschechte Schwermetaller mit Nieten etc. schlugen deswegen beinahe unseren
Mischer zusammen, eben nur weil er ein solches T-Shirt trug. Ich meine, wie kann man diesen
Satz überhaupt ernstnehmen. Kann mir denn einer sagen, was den genau der Unterschied zwischen
Heavy Metal und Hard Rock ist? Es ist einfach ein dummer aber cooler Satz, der provozieren
soll.
Wird es noch weiter Live Alben von Motorpsycho geben?
Ja hoffentlich, wir möchten nämlich eine Serie von Live Alben herausgeben. Es gibt noch
Material, das wir gerne veröffentlichen möchten. Dabei handelt es sich um einen Gig mit einer
Free Jazz Band an einem Festival in Norwegen 1995. Dort spielten wir einige ihrer Songs und
sie unsere. Es war ein geniales Konzert und ging drunter und drüber.
Also Jazz Musik ist auch etwas, das dich interessiert?
Oh ja, ich höre zwar erst seit 3 Jahren Jazz und "John Coltrane is a god"! Der Grund dafür
liegt besonders darin, dass ich Pop und Rock Musik schon solange höre und spiele, dass ich
die Codes dieser Musik kennen. Vom Jazz hab ich hingegen sehr wenig Ahnung.
Bist du eigentlich informiert was in der Musikszene abgeht?
Nein, das glaub ich nicht. Alles ist halt sehr fragmentiert. Ich glaube, eine gewisse
Distanz zu dem was genau passiert ist clever, denn es ist wirklich einfach Trends zu folgen
und das will ich nicht. Wenn du unterbewusst zu viel Acht gibst auf anderes, dann tust du
nur was schon alle vor einem halben Jahr gemacht haben. Ich kümmere mich halt mehr um meine
eigenes Vorgärtchen.
Ihr werdet eure Tournee in etwa 11/2 Wochen beendet haben, was wirst du als erstes
danach tun?
3 Weisheitszähne ziehen! Neben all der Musik geh ich dann noch mit meinem Vater für eine
Woche auf sein Segelschiff, ich hab ihm das schon lange versprochen.
Motorpsycho are:
Bent Sæther - bass, guitar, drums and (main) vocals
Snah (Hans Magnus Ryan) - guitar, vocals, keyboard and fiddle
Gebhardt (Håkon) - drums, guitar, keyboard, banjo
Motorpsycho wurde 1989 in Trondheim, Norwegen gegründet. Ihr Namen fanden sie, nachdem sie
eine Trilogie von Russ Meyer im Kino gesehen hatten. Da die zwei anderen Titel ("Mudhoney"
und "Faster Pussycat") schon von anderen Bands verwendet wurden, entschieden sie sich für
den dritten Titel "Motorpsycho".
Wolfgang Schubert