[media stories: 2001: german] |
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Interview Motorpsycho
Long interview with Snah on the occassion of the Phanerothyme release Motorpsycho haben es mal wieder geschafft und kommen ab dem 3. September mit ihrem neuen Album "Phanerothyme" über die Ladentheken, welches nach dem Rock-Experiment, an dem sie sich teils auch etwas parodistisch auf der "Barracuda" EP versuchten, wieder eher in die Richtung des letzten regulären 99er Albums "Let Them Eat Cake" geht, der bis dato wohl "poppigsten" und überschaubarsten Motorpsycho Platte nach weitschweifigen Meisterwerken wie meinetwegen "Timothy's Monster" oder auch "Trust Us". Will sagen, endlos ausufernde Soundabstürze, wie man sie bis zu "Trust Us" Zeiten bei den drei Norwegern auf jeder Platte antraf und die quasi zu ihrem ganz eigenen Markenzeichen wurden, wird man auch auf "Phanerothyme" kaum mehr finden, stattdessen haben sie einmal mehr den absolut durchdachten, -arrangierten wie -komponierten Song in den Vordergrund gestellt mit dem Unterschied zum Vorgänger, dass es gern auch mal wieder ein bisschen länger dauern darf. Dass sich das Ganze dabei nach wie vor dennoch unbestritten nach Motorpsycho anhört, ist natürlich weiterhin absolut gegeben, denn bekanntlich agiert diese Band seit jeher in ihrem ganz eigenen Kosmos bzw. dreht ihr ureigenes Ding, völlig unbeeinflusst von Trends oder dem Zeitgeist allgemein, und nicht zuletzt das ist es wohl auch, was ihre Fans, von denen es angesichts der immer vollen Motorpsycho-Konzerte anscheinend eine ganze Menge gibt, besonders an ihnen schätzen. Und das ist auch gut so. Ich selbst wurde erstmals durch die "Blissard" Platte mit dem Motorpsycho- Virus infiziert und bin seitdem dabeigeblieben, erwarte jede Platte der Kollegen mit großer Spannung und wollte mir dann diesmal auch die Chance nicht entgehen lassen, zum ersten Mal ein Interview mit einem der drei zu führen. Am Telephon hatte ich letztlich Gitarristen, "Zweitsänger", Orgelspieler, Effektekünstler etc. Snah, das ist übrigens der, welcher bei Konzerten gerne mal mit beiden Füßen gleichzeitig auf seinem riesigen Effektepult rumtappt. Nun denn. Und aufgrund des bevorstehenden Releases von "Phanerothyme" ließen sich die drei Norweger promotechnisch anscheinend ebenfalls nicht lumpen, denn vor der anstehenden Popkomm-Hölle waren sie bereits in Amsterdam und ließen sich von zig holländischen Journos löchern, nur um einen Tag vor Köln noch einen kleinen Promotag im mediengeilen Hamburg einzuschieben, wie mir Snah, trotz allem immer noch bester Laune, erst mal versicherte. Snah: "Naja, für mich ist das auch wie eine Art Psychotherapie. Bei den ganzen Interviews kann ich endlich mal über unsere Musik sprechen ... etwas, das wir untereinander eigentlich nicht machen ... ewig rumsitzen und alles bequatschen, es sei denn, es geht um irgendwelche grundlegende Songwriting-Angelegenheiten. Aber alles andere passiert einfach, das sind meistens keine total überlegten Dinge und so." Neben Snah hatten übrigens auch Gebhardt (d) und Bent (v,b) an diesem Tag ausgiebig Gelegenheit zur Verbalisierung ihres musikalischen Tuns, die zur selben Zeit wohl auf einem anderen Stockwerk des Hotels (oder doch des Stickman-Office', keine Ahnung ...) mit einem Haufen Journalisten über Motorpsycho sprachen.
Als erste wirkliche Frage nach der üblichen Aufwärmrunde und des langsamen Einstotterns
fragte ich Snah, weshalb sie denn diesmal vergleichsweise lange für ihre Verhältnisse,
nämlich ca. 2 Jahre gebraucht haben (bisher erschienen Motorpsycho Platten nahezu im
ein- Jahres-Takt), um nach dem 99er Album "Let Them Eat Cake" mit einer neuen Platte
zurückzukehren, von der dazwischengeschobenen "Barracuda" EP mit ihren Rockschinken
einmal abgesehen. Haben sie vielleicht auch mal eine (wie ich eigentlich dachte und wohl
auch irgendwo gelesen hatte) bewusste Pause von der Musik eingelegt?
Eine bewusste Pause mit Motorpsycho, um da noch einmal nachzuhaken, hat es also nicht
gegeben?
Wie bereits gesagt, die "Barracuda" EP war eine Art Rockexperiment, während
"Phanerothyme" eher wieder die Richtung von dem poppigen, surfigen, und teils auch ganz
schön süßlichen "Let Them Eat Cake" einschlägt, oder wie sieht man das bei Motorpsycho
selbst?
Was genau meint er denn mit "Lernprozess"? Das Spielen lernen neuer Instrumente
vielleicht ...?
Macht es die Sache nicht auch immer komplizierter, wenn ständig neue Instrumente und
Zeug hinzukommen, gerade auch, was nachher die Liveumsetzung angeht?
Über "Let Them Eat Cake" konnte man ja seinerzeit lesen, dass Motorpsycho nach Platten
wie "Trust Us" oder auch dem Monument aus ihrer Frühphase "Timothy's Monster" mit seinen
Endlosepen nun versucht hatten, einmal eine Art Pop-Album zu machen mit überschaubaren
Songs, die das 4-5 Minutenformat nicht übersteigen. Gab es solch eine Art Konzeption
oder Zielsetzung vielleicht auch jetzt bei "Phanerothyme" wieder? Oder vielleicht auch
gar nicht?? Und diese Sachen sind, wie Snah noch bemerkte, in einem ähnlichen Stil wie eben jene neun neuen Songs auf "Phanerothyme", unterscheiden sich also nicht so fundamental wie das "Barracuda" Material von "Let Them Eat Cake" seinerzeit. Snah: "Aber eigentlich wissen wir selbst nicht so genau, wo es in nächster Zeit musikalisch mit Motorpsycho hingehen wird. Vielleicht findet ja gewissermaßen eine Reaktion statt zu diesem ganzen sehr streng durchkomponierten Zeug, wer weiß. Maybe more free form stuff ..."
Vielleicht ja wie diese "Roadwork Vol.2" benannte Live-Platte, auf der sich Motorpsycho
an irgendwelchen Free-Jazz Sachen o.ä. versucht haben sollen. Ich hab das Teil bisher
nämlich noch nicht gehört ...?? So haben Motorpsycho übrigens auch schon während der Studiosessions zu "Phanerothyme" zwischendurch mal auf einem norwegischen Festival Musik zu einem Film quasi einfach dazuimprovisiert ohne vorheriges Konzept o.ä., und Snah zufolge fühlen sie sich von solcherlei Dingen extrem angezogen, zumal als Ausgleich für das sehr strikte Vorgehen, dem sie sich auf der aktuellen Platte widmeten. Es hat wohl auch geholfen, auf eine Art die Spontaneität in der Musik aufrechtzuerhalten. Snah: "Aber auch so fühlt es sich wirklich gut an einfach rauszugehen und zu improvisieren und einfach zu sehen, was dabei herauskommt."
Eine andere wirklich bemerkenswerte Sache bei Motorpsycho ist ja auch die Unmenge an
musikalischem Output, den sich der geneigte Hörer mittlerweile von ihnen zulegen kann.
Denn neben den regulären Platten (dürften mittlerweile 5 oder 6 sein, weiß ich grad
nicht so genau und ist auch vollkommen wurscht eigentlich ...) bringen Motorpsycho
beständig 7inches und allerlei Fan-Kram raus, und das schon seit Jahren, weshalb ich
Snah fragte, ob sie denn alles, was sie jemals gemacht haben, auch wirklich
veröffentlichen, oder ob das letztlich Veröffentlichte auch trotz allem eine Auswahl
darstellt? Der Titel der Platte selbst ist übrigens eine Wortschöpfung von Aldous Huxley, der damit "die positiven Gesichtspunkte von Psychedelia" zu definieren versuchte, so der Stickman Infozettel. Das dazugehörige Zitat geht folgendermaßen: "To make this trivial world sublime / take half a gramme of phanerothyme". Diese Worte schrieb Huxley offensichtlich an einen Freund namens Humphrey Osmond und bekam von jenem zur Antwort: "To fathom hell or soar angelic / just take a pinch of psychedelic".
Und da es ja kein Geheimnis ist, dass psychedelische Elemente von jeher fester
Bestandteil des Motorpsycho-Universums waren und sind, wollte ich von Snah wissen, ob
hier womöglich die Verbindung zur Wahl dieses Albumtitels zu suchen ist.
Und mit diesem ganzen Psychedelic-Kram hat das wirklich nichts zu tun? Denn so ein
bisschen die psychedelische Schiene schlägt "Phanerothyme" ja schon ein, zumindest
deutlicher als sein direkter Vorgänger.
Stört es sie denn, wenn Leute dann über meinetwegen die neue Platte sagen würden, dass
sie sich womöglich ein bisschen altmodisch bzw. "retro" o.ä. anhört? Daran besteht kein Zweifel, dem kann man wirklich nur zustimmen. Und auch wenn Snah selbst nach eigener Aussage mit dem aktuellen Geschehen dessen, was allgemein unter dem Begriff "Rockmusik" firmiert, nicht viel anfangen kann, ändert das nichts an der Tatsache, dass alle drei Motorpsychos, wenn auch alle mit sehr unterschiedlichen musikalischen Vorlieben ausgestattet, über laut Snah riesige Plattensammlungen verfügen, was ich ihnen auch gerne abnehme. Und was sich da so wiederfindet? Naja, Snah mag jedenfalls derzeit besonders das letzte Mogwai-Album, oder auch elektronischen Kram wie Biosphere oder Aphex Twin. Und wo die Inspiration für Motorpsycho-Stücke nun genau herkommt, kann er selbst auch nicht so genau sagen, ziemlich sicher jedoch ist, dass Motorpsycho nichtsdestotrotz ziemlich genau wissen, was sie da so machen, und hier und da wird der einzelne Hörer sicher auch Referenzen ausmachen können, meint er ...
Doch da Snah selbst anscheinend eine besondere Vorliebe für elektronische Sounds hegt,
könnte er sich vielleicht vorstellen, solcherlei Dinge in Zukunft auch vermehrt im Sound
von Motorpsycho zu verankern? Was aber nicht heißen soll, dass das so bleiben wird.
Eine andere Sache, die in der jüngeren Vergangenheit Motorpsycho's für einigen Wirbel
gesorgt hat, war sicher dieses ganze Hechmeck mit der "Barracuda" EP, die ja eigentlich,
wie ursprünglich geplant, auf Frank Kozik's Man's Ruin Label erscheinen sollte, was aber
aus irgendwelchen Gründen nicht klappte. Und dann waren die Songs plötzlich Wochen vor
dem eigentlichen Release schon auf Napster zu finden, ehe sie schließlich offiziell dann
doch via Stickman veröffentlicht wurden. Aber wie sieht man diese Angelegenheit bei
Motorpsycho selbst mittlerweile? Und bei Motorpsycho's Label Stickman sind die Verhältnisse so geregelt, dass dort keine Band gesignt wird, ehe man nicht die Zustimmung der Band selbst hat, also kann man schon auch davon sprechen, dass sie ihre Platten via Stickman quasi "selbst" herausbringen.
Aber haben sie in ihrer mittlerweile ca. zehnjährigen Karriere, in der wirklich einige
Platten darunter waren (ich denke da v.a. an "Blissard" oder auch "Trust Us", Anm. d.
Verf.), mit denen man womöglich auch ein wirklich "großes" Publikum hätte erreichen
können, darüber nachgedacht, einmal den "Major-Versuch" zu wagen? Weltweit reicht das Vertriebsnetz von Stickman dann aber doch nicht, denn zum Beispiel in den USA oder Japan dürfte man sich schwer tun, Motorpsycho Platten im Laden aufzutreiben, selbst wenn sie sogar schon mal in den USA getourt sind irgendwann. Nichtsdestotrotz sind Motorpsycho offen, falls sich Gelegenheit bietet, ihre Aktivitäten über Zentraleuropa hinaus auszudehnen oder generell Orte, an denen sie bisher noch nicht gewesen sind, wie zum Beispiel Griechenland, das dieses Jahr erstmals in ihrem Tourkalender zu finden ist. An dieser Stelle war mal wieder mein AB-Tape zuende und ich kann nur noch auf eine Sache eingehen, die vielleicht für den ein oder anderen im Zusammenhang mit "Phanerothyme" von Interesse sein könnte, das Coverartwork nämlich. Auf selbigem ist der Kopf eines Typen so ein bisschen dilettantisch gezeichnet dargestellt, und irgendwie ähnelt das Resultat Bassist und Motorpsycho Hauptsänger Bent Saether, und tatsächlich, als Vorlage diente auch ein Photo von ihm. Glück gehabt. Wer Motorpsycho auf Tour erleben will, hat dafür übrigens im September / Oktober wieder Gelegenheit, wenn sich die Kollegen für sieben Shows bei uns blicken lassen werden. Und wer schon mal eine Motorpsycho-Show erlebt hat, wird sich eine Wiederholung schwerlich entgehen lassen. Allen anderen sei gesagt, dass 2 ½ Stunden-Marathons hier keine Seltenheit sind, und zu hören gibt es dann wahrscheinlich wieder das volle Programm, angefangen beim Herz zerreißenden Wanderklampfen-Lagerfeuersong bis hin zum fulminant- elektrifizierten Noise- Inferno ...
MOTORPSYCHO Website der Band: http://motorpsycho.fix.no/ Thomas Jänsch
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