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Interview – Motorpsycho

Long interview with Snah on the occassion of the Phanerothyme release
taken from the German e-zine
BROKEN VIOLENCE, August 2001.
German. Found at the broken violence site.


Motorpsycho in 2001

Motorpsycho haben es mal wieder geschafft und kommen ab dem 3. September mit ihrem neuen Album "Phanerothyme" über die Ladentheken, welches nach dem Rock-Experiment, an dem sie sich teils auch etwas parodistisch auf der "Barracuda" EP versuchten, wieder eher in die Richtung des letzten regulären 99er Albums "Let Them Eat Cake" geht, der bis dato wohl "poppigsten" und überschaubarsten Motorpsycho Platte nach weitschweifigen Meisterwerken wie meinetwegen "Timothy's Monster" oder auch "Trust Us". Will sagen, endlos ausufernde Soundabstürze, wie man sie bis zu "Trust Us" Zeiten bei den drei Norwegern auf jeder Platte antraf und die quasi zu ihrem ganz eigenen Markenzeichen wurden, wird man auch auf "Phanerothyme" kaum mehr finden, stattdessen haben sie einmal mehr den absolut durchdachten, -arrangierten wie -komponierten Song in den Vordergrund gestellt mit dem Unterschied zum Vorgänger, dass es gern auch mal wieder ein bisschen länger dauern darf. Dass sich das Ganze dabei nach wie vor dennoch unbestritten nach Motorpsycho anhört, ist natürlich weiterhin absolut gegeben, denn bekanntlich agiert diese Band seit jeher in ihrem ganz eigenen Kosmos bzw. dreht ihr ureigenes Ding, völlig unbeeinflusst von Trends oder dem Zeitgeist allgemein, und nicht zuletzt das ist es wohl auch, was ihre Fans, von denen es angesichts der immer vollen Motorpsycho-Konzerte anscheinend eine ganze Menge gibt, besonders an ihnen schätzen. Und das ist auch gut so. Ich selbst wurde erstmals durch die "Blissard" Platte mit dem Motorpsycho- Virus infiziert und bin seitdem dabeigeblieben, erwarte jede Platte der Kollegen mit großer Spannung und wollte mir dann diesmal auch die Chance nicht entgehen lassen, zum ersten Mal ein Interview mit einem der drei zu führen.

Am Telephon hatte ich letztlich Gitarristen, "Zweitsänger", Orgelspieler, Effektekünstler etc. Snah, das ist übrigens der, welcher bei Konzerten gerne mal mit beiden Füßen gleichzeitig auf seinem riesigen Effektepult rumtappt. Nun denn.

Und aufgrund des bevorstehenden Releases von "Phanerothyme" ließen sich die drei Norweger promotechnisch anscheinend ebenfalls nicht lumpen, denn vor der anstehenden Popkomm-Hölle waren sie bereits in Amsterdam und ließen sich von zig holländischen Journos löchern, nur um einen Tag vor Köln noch einen kleinen Promotag im mediengeilen Hamburg einzuschieben, wie mir Snah, trotz allem immer noch bester Laune, erst mal versicherte.

Snah: "Naja, für mich ist das auch wie eine Art Psychotherapie. Bei den ganzen Interviews kann ich endlich mal über unsere Musik sprechen ... etwas, das wir untereinander eigentlich nicht machen ... ewig rumsitzen und alles bequatschen, es sei denn, es geht um irgendwelche grundlegende Songwriting-Angelegenheiten. Aber alles andere passiert einfach, das sind meistens keine total überlegten Dinge und so."

Neben Snah hatten übrigens auch Gebhardt (d) und Bent (v,b) an diesem Tag ausgiebig Gelegenheit zur Verbalisierung ihres musikalischen Tuns, die zur selben Zeit wohl auf einem anderen Stockwerk des Hotels (oder doch des Stickman-Office', keine Ahnung ...) mit einem Haufen Journalisten über Motorpsycho sprachen.

Motopsycho - «Phanerothyme» - cover - front  

Als erste wirkliche Frage nach der üblichen Aufwärmrunde und des langsamen Einstotterns fragte ich Snah, weshalb sie denn diesmal vergleichsweise lange für ihre Verhältnisse, nämlich ca. 2 Jahre gebraucht haben (bisher erschienen Motorpsycho Platten nahezu im ein- Jahres-Takt), um nach dem 99er Album "Let Them Eat Cake" mit einer neuen Platte zurückzukehren, von der dazwischengeschobenen "Barracuda" EP mit ihren Rockschinken einmal abgesehen. Haben sie vielleicht auch mal eine (wie ich eigentlich dachte und wohl auch irgendwo gelesen hatte) bewusste Pause von der Musik eingelegt?
Snah: "Also eigentlich haben wir die ganze Zeit damit verbracht, neues Material zu schreiben. Und weil wir im Prinzip nicht großartig alte Ideen usw. in der Hinterhand hatten, die wir für eine neue Platte hätten verwenden können, begann der Songwritingprozess quasi ganz von vorne. Übrigens wurden die Songs für "Let Them Eat Cake" wie auch "Barracuda" zur selben Zeit geschrieben und aufgenommen, nur waren die Unterschiede der einzelnen Stücke zu groß, um alle gemeinsam auf eine Platte packen zu können. Und nachdem die beiden Sachen veröffentlicht waren, hatten wir praktisch die Möglichkeit, da eben alle Ideen zu der Zeit gewissermaßen verbraucht waren, einfach in den Proberaum zu gehen und völlig unvorbelastet an neuen Sachen zu experimentieren und begannen erst mal damit, so kleine Songskizzen zu entwerfen. Und da so eine Herangehensweise auch ihre Zeit braucht, hat es eben ein bisschen länger gedauert mit der neuen Platte."

Eine bewusste Pause mit Motorpsycho, um da noch einmal nachzuhaken, hat es also nicht gegeben?
Snah: "Ähm, du musst wissen, dass zwischenrein z.B. Gebhardt auch noch sein Soloalbum fertig stellte (das Teil heißt "Gebhardt Plays With Himself" und darauf enthalten sind so kleine verschrobene Liedchen, die Gebhardt zumeist allein mit einem Rhythmusgerät und seiner Ukulele eingeholzt hat; ist übrigens überhaupt nicht mit Motorpsycho zu vergleichen, erschien aber auch auf Stickman, Anm. d. Verf.) und auch eine Platte mit HGH, das ist so eine Art "Bluegrass-Banjo- Outrage" (??) Sache. Die sind damit sogar in Deutschland auf Tour gewesen eine zeitlang. Bent war auch teils mit ein paar befreundeten Bands aus Trondheim im Studio, und ich selbst hing mehr oder weniger zuhause rum und hab mich um mein Kid gekümmert. Und auf einmal war die ganze Zeit eben rum, so ist das. Aber ich hab auch kein Problem mit der Zeit in dem Sinne und es ist mir ziemlich egal, ob die Entstehung einer Platte nun zwei Jahre oder zwei Monate dauert. Solange das Endergebnis passt, ist so was echt total egal."

  Motopsycho - live in 2000

Wie bereits gesagt, die "Barracuda" EP war eine Art Rockexperiment, während "Phanerothyme" eher wieder die Richtung von dem poppigen, surfigen, und teils auch ganz schön süßlichen "Let Them Eat Cake" einschlägt, oder wie sieht man das bei Motorpsycho selbst?
Snah: "Ganz ähnlich eigentlich. Aber ich würde eigentlich sagen, dass die neue Platte eine Art "energetic fusion" aus beidem geworden ist, allerdings halt nicht so deutlich "rock orientated" wie die "Barracuda" Platte. Aber wie gesagt, du fängst an Songs zu schreiben, kannst aber zu dem Zeitpunkt noch nicht sehen, wohin das dann letztlich führen wird. Etwas absichtlich von vornherein beeinflussen zu wollen, würde die Musik an sich nur kompromittieren. Mit der Zeit formt sich die Musik gewissermaßen wie von selbst, und du musst einfach nur dem Weg folgen und darfst nicht unmotiviert dazwischenfunken in deine ursprünglichen musikalischen Visionen, die ganz am Anfang standen. Bei "Let Them Eat Cake" haben wir auch schon viel mit Arrangements für verschiedenste Instrumente herumprobiert, also nicht nur die traditionellen Instrumente Gitarre, Schlagzeug und Bass, was ein stetiger Lernprozess für uns war zu diesem Zeitpunkt. Und ich denke mal, dass das neue Album einen ähnlichen Ansatz hat, nur die Umsetzung ist mittlerweile wesentlich besser und stringenter."

Was genau meint er denn mit "Lernprozess"? Das Spielen lernen neuer Instrumente vielleicht ...?
Snah: "Zum Beispiel. Aber auch, mit neuen Sounds umgehen zu lernen und diese in die bestehenden und auch den Songwritingprozess an sich stimmig zu integrieren. Wichtig dabei ist vor allem, dass man solche Dinge von Anfang an im Songwriting berücksichtigt, dann hat man nachher nicht das Problem, alles nachträglich im Studio hinzufügen zu müssen."

Snah - live in 2000  

Macht es die Sache nicht auch immer komplizierter, wenn ständig neue Instrumente und Zeug hinzukommen, gerade auch, was nachher die Liveumsetzung angeht?
Snah: "Also wir werden auf jeden Fall mit einem zusätzlichen "Keyboard- Operator" auf Tour gehen. Das wird derselbe Typ sein, der auch für die Arrangements auf der Platte verantwortlich ist. Sein Name ist Bor Slagsvold, mit dem wir zum ersten Mal auf "Let Them Eat Cake" zusammengearbeitet haben. Aber inzwischen sind wir musikalisch noch viel besser zusammengewachsen und verstehen uns noch viel besser als damals, sowohl musikalisch als auch auf persönlicher Ebene. Und unsere Kooperation mit ihm ist wirklich das Entscheidende, was die Arrangements auf der neuen Platte angeht. Er hat sie auch selbst geschrieben und ihre Umsetzung veranlasst ... aber natürlich stehen wir selbst da nicht außen vor und haben immer Einfluss auf die Richtung, in die das Ganze letztlich geht.
Doch selbst wenn er dann mit auf Tour dabei ist, werden wir keineswegs versuchen, die Songs bis ins letzte Detail wie auf Platte klingen zu lassen, sondern eher den Kern der Songs bzw. ihre Stimmung beizubehalten versuchen, so eine Art "stripped down version" eben, wobei jedoch die Essenz des jeweiligen Stückes auf jeden Fall enthalten sein wird. Also ich mache mit wegen der Liveumsetzung der neuen Songs keine Sorgen, die hatten wir eher, bevor wir mit "Let Them Eat Cake" auf Tour gingen ... so was die Übertragung vom Studio auf die Bühne anging. Aber jetzt ... ich meine wir lernen ständig dazu, von daher ..."

Über "Let Them Eat Cake" konnte man ja seinerzeit lesen, dass Motorpsycho nach Platten wie "Trust Us" oder auch dem Monument aus ihrer Frühphase "Timothy's Monster" mit seinen Endlosepen nun versucht hatten, einmal eine Art Pop-Album zu machen mit überschaubaren Songs, die das 4-5 Minutenformat nicht übersteigen. Gab es solch eine Art Konzeption oder Zielsetzung vielleicht auch jetzt bei "Phanerothyme" wieder? Oder vielleicht auch gar nicht??
Snah: "Wir haben darüber nachgedacht, wie wir am besten anfangen, und haben dann begonnen, zwischen 30 und 40 Songskizzen zu komponieren, von denen wir dann diejenigen auswählten, von denen wir uns am meisten herausgefordert fühlten, die einfach am interessantesten waren. Aber zu so einem Zeitpunkt kannst du das endgültige Resultat noch nicht wirklich ausmachen. Und es gibt immer noch eine Menge zu tun. So haben wir zum Beispiel einige Sachen übrig, die jetzt nicht auf "Phanerothyme" enthalten sind, an denen wir aber sicher noch weiterarbeiten wollen."

Und diese Sachen sind, wie Snah noch bemerkte, in einem ähnlichen Stil wie eben jene neun neuen Songs auf "Phanerothyme", unterscheiden sich also nicht so fundamental wie das "Barracuda" Material von "Let Them Eat Cake" seinerzeit.

Snah: "Aber eigentlich wissen wir selbst nicht so genau, wo es in nächster Zeit musikalisch mit Motorpsycho hingehen wird. Vielleicht findet ja gewissermaßen eine Reaktion statt zu diesem ganzen sehr streng durchkomponierten Zeug, wer weiß. Maybe more free form stuff ..."

Vielleicht ja wie diese "Roadwork Vol.2" benannte Live-Platte, auf der sich Motorpsycho an irgendwelchen Free-Jazz Sachen o.ä. versucht haben sollen. Ich hab das Teil bisher nämlich noch nicht gehört ...??
Snah: "Vielleicht. Wobei diese Liveaufnahmen, die du da gerade ansprichst, schon ziemlich alt sind, von 1995 oder so. Und damals waren wir wohl noch gar nicht in dem Maße in der Lage, solche Improvisationen zu machen, wie wir das heute wahrscheinlich sind. Also wir sind schon gewachsen als Musiker in den letzten fünf Jahren. Nichtsdestotrotz waren diese Aufnahmen so gut und interessant, dass wir sie unbedingt herausbringen wollten. Und vielleicht werden wir ja verstärkt solche "free form" Sachen machen in nächster Zeit, mal sehen."

So haben Motorpsycho übrigens auch schon während der Studiosessions zu "Phanerothyme" zwischendurch mal auf einem norwegischen Festival Musik zu einem Film quasi einfach dazuimprovisiert ohne vorheriges Konzept o.ä., und Snah zufolge fühlen sie sich von solcherlei Dingen extrem angezogen, zumal als Ausgleich für das sehr strikte Vorgehen, dem sie sich auf der aktuellen Platte widmeten. Es hat wohl auch geholfen, auf eine Art die Spontaneität in der Musik aufrechtzuerhalten.

Snah: "Aber auch so fühlt es sich wirklich gut an einfach rauszugehen und zu improvisieren und einfach zu sehen, was dabei herauskommt."

  Snah - live in 2000

Eine andere wirklich bemerkenswerte Sache bei Motorpsycho ist ja auch die Unmenge an musikalischem Output, den sich der geneigte Hörer mittlerweile von ihnen zulegen kann. Denn neben den regulären Platten (dürften mittlerweile 5 oder 6 sein, weiß ich grad nicht so genau und ist auch vollkommen wurscht eigentlich ...) bringen Motorpsycho beständig 7inches und allerlei Fan-Kram raus, und das schon seit Jahren, weshalb ich Snah fragte, ob sie denn alles, was sie jemals gemacht haben, auch wirklich veröffentlichen, oder ob das letztlich Veröffentlichte auch trotz allem eine Auswahl darstellt?
Snah: "Wenn wir denken, dass etwas gut genug ist veröffentlicht zu werden, dann tun wir das auch. Aber natürlich gibt es in dieser ganzen Zeit auch Sachen, von denen wir weniger überzeugt waren und daher auch von einer Veröffentlichung abgesehen haben, oder wenigstens bis jetzt, haha. Aber manchmal ist es so, dass du dir alte Sachen, die du irgendwann verworfen hast, noch mal anhörst und dann ganz anders drüber denkst, vielleicht auch weil es dann in das jeweilige Vorhaben besser passt als in jenes, wofür es ursprünglich mal vorgesehen war. Aber von der jetzigen Platte wird es definitiv keine Fortsetzung oder so was geben, diese jetzt soll für sich alleine stehen bleiben, praktisch als Statement für den jetzigen Zeitpunkt. Was danach kommt, wird sich finden."

Der Titel der Platte selbst ist übrigens eine Wortschöpfung von Aldous Huxley, der damit "die positiven Gesichtspunkte von Psychedelia" zu definieren versuchte, so der Stickman Infozettel. Das dazugehörige Zitat geht folgendermaßen: "To make this trivial world sublime / take half a gramme of phanerothyme". Diese Worte schrieb Huxley offensichtlich an einen Freund namens Humphrey Osmond und bekam von jenem zur Antwort: "To fathom hell or soar angelic / just take a pinch of psychedelic".

Und da es ja kein Geheimnis ist, dass psychedelische Elemente von jeher fester Bestandteil des Motorpsycho-Universums waren und sind, wollte ich von Snah wissen, ob hier womöglich die Verbindung zur Wahl dieses Albumtitels zu suchen ist.
Snah: "In erster Linie finde ich, dass es vom Klang her ein wunderbares Wort ist, das außerdem auch ziemlich ungewöhnlich ist. Und von der Sache an sich her würde ich sagen, dass es eher ein im poetischen Sinne gewählter Albumtitel ist denn irgendwie krampfhaft Sinn- behaftet ... eben ein typischer Motorpsycho-Titel (lacht)."

Und mit diesem ganzen Psychedelic-Kram hat das wirklich nichts zu tun? Denn so ein bisschen die psychedelische Schiene schlägt "Phanerothyme" ja schon ein, zumindest deutlicher als sein direkter Vorgänger.
Snah: "Vielleicht, kann sein. Aber es ist mit Sicherheit keines unserer bewussten Ziele, nun um jeden Preis nostalgisch oder konservativ zu klingen, sicher nicht. Vielmehr versuchen wir immer, unsere Songs zeitlos klingen zu lassen und sie auf keinen Fall mit zeitbedingten oder irgendwelchen neumodischen Erscheinungen zu versehen, grade auch was den Sound an sich oder digitales Equipment angeht. Wir mögen halt einfach die ...ähm ...Reinheit der Instrumente, den reinen, nicht unnötig technisierten Klang der Instrumente. Und wenn du so eine Herangehensweise bevorzugst, landest du automatisch dabei, so wenige digitale Effekte oder Verfremdungen wie nur möglich zu benutzen für deinen Sound oder die Musik überhaupt. Und das führt vielleicht automatisch dazu, dass man bisweilen ein bisschen "altbacken" klingt ... (lacht)."

Stört es sie denn, wenn Leute dann über meinetwegen die neue Platte sagen würden, dass sie sich womöglich ein bisschen altmodisch bzw. "retro" o.ä. anhört?
Snah: "Nein, überhaupt nicht. Es ist trotz allem einfach gute Musik, weißt du?!"

Motorpsycho - live in 2000  

Daran besteht kein Zweifel, dem kann man wirklich nur zustimmen. Und auch wenn Snah selbst nach eigener Aussage mit dem aktuellen Geschehen dessen, was allgemein unter dem Begriff "Rockmusik" firmiert, nicht viel anfangen kann, ändert das nichts an der Tatsache, dass alle drei Motorpsychos, wenn auch alle mit sehr unterschiedlichen musikalischen Vorlieben ausgestattet, über laut Snah riesige Plattensammlungen verfügen, was ich ihnen auch gerne abnehme. Und was sich da so wiederfindet? Naja, Snah mag jedenfalls derzeit besonders das letzte Mogwai-Album, oder auch elektronischen Kram wie Biosphere oder Aphex Twin. Und wo die Inspiration für Motorpsycho-Stücke nun genau herkommt, kann er selbst auch nicht so genau sagen, ziemlich sicher jedoch ist, dass Motorpsycho nichtsdestotrotz ziemlich genau wissen, was sie da so machen, und hier und da wird der einzelne Hörer sicher auch Referenzen ausmachen können, meint er ...

Doch da Snah selbst anscheinend eine besondere Vorliebe für elektronische Sounds hegt, könnte er sich vielleicht vorstellen, solcherlei Dinge in Zukunft auch vermehrt im Sound von Motorpsycho zu verankern?
Snah: "Möglicherweise. Aber ehe man so was machen kann, musst du erst mal die dafür notwendigen Werkzeuge beherrschen lernen. Und wir müssen die Gitarre als Ursprung unseres bisherigen Songwritings überwinden und lernen, diese Lücke mit anderen Mitteln zu füllen. Und ich selbst kenne mich mit diesen Dingen bisher nur ungenügend aus."

Was aber nicht heißen soll, dass das so bleiben wird.

Eine andere Sache, die in der jüngeren Vergangenheit Motorpsycho's für einigen Wirbel gesorgt hat, war sicher dieses ganze Hechmeck mit der "Barracuda" EP, die ja eigentlich, wie ursprünglich geplant, auf Frank Kozik's Man's Ruin Label erscheinen sollte, was aber aus irgendwelchen Gründen nicht klappte. Und dann waren die Songs plötzlich Wochen vor dem eigentlichen Release schon auf Napster zu finden, ehe sie schließlich offiziell dann doch via Stickman veröffentlicht wurden. Aber wie sieht man diese Angelegenheit bei Motorpsycho selbst mittlerweile?
Snah: "Also wir waren wegen der EP eine zeitlang mit Man's Ruin in den USA in Kontakt, aber irgendwie mittendrin stockte die Kommunikation und verlief sich letztlich irgendwie im Sande. Und dann tauchten die Songs von "Barracuda" plötzlich bei Napster auf ... Wie sich das alles nun genau zugetragen hat, weiß ich dabei selbst nicht so genau. Auf jeden Fall hatten wir die ganze Sache nicht mehr wirklich unter Kontrolle und entschieden letztlich, die Platte selber zu veröffentlichen. Das ist immer noch die beste Lösung, vor allem wenn gewisse Leute nicht zur Kooperation bereit sind ..."

Und bei Motorpsycho's Label Stickman sind die Verhältnisse so geregelt, dass dort keine Band gesignt wird, ehe man nicht die Zustimmung der Band selbst hat, also kann man schon auch davon sprechen, dass sie ihre Platten via Stickman quasi "selbst" herausbringen.

Aber haben sie in ihrer mittlerweile ca. zehnjährigen Karriere, in der wirklich einige Platten darunter waren (ich denke da v.a. an "Blissard" oder auch "Trust Us", Anm. d. Verf.), mit denen man womöglich auch ein wirklich "großes" Publikum hätte erreichen können, darüber nachgedacht, einmal den "Major-Versuch" zu wagen?
Snah: "Naja, nachgedacht schon. Aber es ist einfach so, dass du mit einem Wechsel zu einem Major gleichzeitig die Kontrolle über sämtliche Dinge aus den Händen verlierst, und du bist dann nurmehr eine kleine Band unter zig anderen, you know. Jeder weiß doch wie das Ganze funktioniert. Und wenn man dann Vorschläge einbringt, was man, wenn eine Platte draußen ist, gerne machen würde, stehen da Verhandlungen wie mit der Regierung an ... mit den ganzen Stellen, die du durchlaufen musst und dieser ganzen riesigen Hierarchie. Und darauf haben wir echt absolut keine Lust ... Abgesehen davon ist das System, welches wir uns mit Stickman aufgebaut haben, wirklich genauso effektiv wie irgendein Majorlabel, von daher sehen wir eigentlich auch gar keinen Handlungsbedarf."

  Motorpsycho - in 2001

Weltweit reicht das Vertriebsnetz von Stickman dann aber doch nicht, denn zum Beispiel in den USA oder Japan dürfte man sich schwer tun, Motorpsycho Platten im Laden aufzutreiben, selbst wenn sie sogar schon mal in den USA getourt sind irgendwann. Nichtsdestotrotz sind Motorpsycho offen, falls sich Gelegenheit bietet, ihre Aktivitäten über Zentraleuropa hinaus auszudehnen oder generell Orte, an denen sie bisher noch nicht gewesen sind, wie zum Beispiel Griechenland, das dieses Jahr erstmals in ihrem Tourkalender zu finden ist.

An dieser Stelle war mal wieder mein AB-Tape zuende und ich kann nur noch auf eine Sache eingehen, die vielleicht für den ein oder anderen im Zusammenhang mit "Phanerothyme" von Interesse sein könnte, das Coverartwork nämlich. Auf selbigem ist der Kopf eines Typen so ein bisschen dilettantisch gezeichnet dargestellt, und irgendwie ähnelt das Resultat Bassist und Motorpsycho Hauptsänger Bent Saether, und tatsächlich, als Vorlage diente auch ein Photo von ihm. Glück gehabt.

Wer Motorpsycho auf Tour erleben will, hat dafür übrigens im September / Oktober wieder Gelegenheit, wenn sich die Kollegen für sieben Shows bei uns blicken lassen werden. Und wer schon mal eine Motorpsycho-Show erlebt hat, wird sich eine Wiederholung schwerlich entgehen lassen. Allen anderen sei gesagt, dass 2 ½ Stunden-Marathons hier keine Seltenheit sind, und zu hören gibt es dann wahrscheinlich wieder das volle Programm, angefangen beim Herz zerreißenden Wanderklampfen-Lagerfeuersong bis hin zum fulminant- elektrifizierten Noise- Inferno ...

MOTORPSYCHO
25.09. Bremen, Schlachthof
10.10. München, Nachtwerk
11.10. Darmstadt, Centralstation
12.10. Bielefeld, Forum
13.10. Hamburg, Große Freiheit (Stickman Festival)
14.10. Köln, Live Music Hall (plus SOUNDTRACK OF OUR LIVES)
15.10. Berlin, Casino (plus SOUNDTRACK OF OUR LIVES)
Info: Powerline, 030 / 44358030

Website der Band: http://motorpsycho.fix.no/

Thomas Jänsch