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  [media stories: german: 1993]



Motorpsycho

Article / Interview with Bent
taken from the German magazine
EB / METRONOM, October / November 1993.
German. Article found in the depths of the mighty Stickman archives.
Thanks to Jeanette!


Das macht man eigentlich, wenn man eine reichhaltige, alle möglichen und unmöglichen Musikstile umfassende Plattensammlung hat und in einer Band spielt? Man versucht, seine eigene Musik genauso bunt und abwechslungsreich zu gestalten, damit man bei Konzerten nicht den ganzen Abend das gleiche Lied spielen muß ...

Meine vage Hoffnung, die norwegischen Lemonheads (ich gestehe "It's A Shame About Ray" ziemlich gut zu finden) gefunden zu haben, löst sich nach dem ersten Song von Motorpsycho's neuem Album "Demon Box" schnell in Wohlgefallen auf. Erst wird's psychedelisch, dann erfolgt ein Ausflug in Richtung Trash-Metal, und dann verliere ich langsam den Überblick. Auf jeden Fall müssen die Jungs coole Platten haben.

"Ich höre lauter verschiedene Sachen", sagt ihr Sänger und Gitarrist Bent, "und das reflektiert unsere Musik natürlich. Aber anstatt jetzt alle Einflüsse in einen Song zu packen, der dann nach gar nichts mehr klingt, machen wir eben lauter ganz verschiedene Songs. Wir haben richtigen Pop, Industrial-Elemente, akustische Gitarren, Folksongs, Metal, Trash, Feedback, Improvisationen, Psychedelia und einige merkwürdige andere Geräusche, die wir in die Songs einbauen ..."

Das ist eine umfassende Beschreibung von "Demon Box". Das Titelstück selbst ist ein 14minütiges Klangabenteuer, von dem die aufgenommene Fassung nur eine mögliche ist, und das bei Konzerten durchaus auf eine Dreiviertelstunde anwachsen kann. Doch hat man dabei, wie bei der ganzen Platte überhaupt, den Eindruck, daß die Vier durchaus wissen, was sie da treiben. Keine postmoderne Beliebigkeit, sondern durchdachtes Songwriting, und je nach Stimmung, Tageszeit und momentaner Beschäftigung werden sich die Lieblingssongs öfter ändern.

"Ich finde Offenheit sehr wichtig. Wir ändern auch unsere Setlist oft ganz spontan, je nach der Stimmung des Abends und des Publikums, verändern die Länge der Songs oder improvisieren drauflos. Jede Show hat diesen unvorhersehbaren Aspekt, das ist eine Art Bühnenchemie, es kann ständig etwas passieren." Das verlangt aber eine Menge vom Publikum, da jede konventionelle Setlist-Dramaturgie - die taktische Ballade zum Abkühlen etwa - unmöglich wird und man nie weiß, was kommt. "Das wissen wir auch nicht. Ich glaube sehr an Intuition, Spontaneität und Flexibilität, gerade bei Musik. Ein Song ist nie 'fertig' und damit für immer festgelegt. Naja, bei den meisten Leuten schon, die ein Lied in einer Fassung kennen und dann beim Konzert genauso hören wollen, und fast alle Bands halten sich auch daran. Todlangweilig für uns. Auch bei den Texten ändere ich oft noch etwas und lasse sie überhaupt ziemlich offen für Interpretationen. Sie geben meist Stimmungen wieder, keine großartige Message. Ich mißtraue Botschaften in Songtexten."

Das Cover ziert ein altes Schwarzweißfoto, das nach Familienbild mit Großmutter aussieht ... "Keine Ahnung, wer das ist. Keiner von uns kennt die Leute auf dem Bild. Ein Freund fand das Foto in einem Haus, das abgerissen werden sollte. Muß beim Ausräumen irgendwo rausgefallen sein. Das gefiel uns daran, jeder kann sich seine eigene Geschichte dazu machen, und eine ist so richtig wie die andere. Sehr spannend."

"Demon Box" ist das dritte Album der Vier aus Trondheim. Bent studiert dort an der Uni Kulturanthropologie, der Rest macht Zivildienst oder studiert Psychologie. Es gäbe auch eine kleine unabhängige Musikszene dort mit einigen lokalen Bands und durch die Uni einen gewissen Underground. Nichts Weltbewegendes, aber ganz cool. Man kennt sich und hängt zusammen ab. "Es gibt auch nicht diese musikalischen Abgrenzungen, man geht zu Hardcore-Konzerten genauso wie zu Metalbands. Es ist alles ziemlich locker und tolerant."

Aber du hast doch bestimmt ein paar Bands, die dich inspirieren? "Ich glaube an eine gewisse Tradition, manche Leute haben absolut klassische Songs geschrieben. Led Zep natürlich, Grateful Dead, die Doors, Janis Joplin, cool. Stimmt, ziemliches Hippiezeug, yeah! Folksongs sind auch in diesem Sinne klassisch. Ich versuche einfach, für alles offen zu sein, und was mir etwas bringt, übernehme ich für mich." Also hinweg mit jeglichem Denken in musikalischen Kategorien, statt dessen Ohren auf und zuhören. Jeweilige Lieblingssongs dürfen dann eingehend analysiert werden. Als ich Bent erzähle, daß ich mich für keinen entscheiden kann, lacht er: "You know, there's that demon in there that keeps you confused ..."

Christina Briem