[media stories: 2002: german] |
|||||||||||||||||
Norwegian wood that rocks!
Extensive band feature
CDs und Vinyls stapeln sich auf dem Tisch. Je nach Laune und Gemütszustand landet
entweder ein interessantes Stück Elektronik oder eine Platte mit schrammelnden Indie-
Gitarren-Sounds in meinem CD-Player. Trotzdem gibt es eine Band, die mit ihren rockigen
und melancholischen Nummern nun schon seit Jahren zu jeder Zeit und zu
jeder Gefühlsstimmung passt: Motorpsycho.
Trondheim & Russ Mayer
Norwegen, Trondheim, 1989. In diesem Jahr entschließen sich Bent Sæther (vocals, bass), Hans Magnus "Snah" Ryan (guitar, vocals) und Kjell Runar "Killer" Jenssen (drums), eine Band zu gründen. Fehlt nur noch ein Bandname. Als die drei Musiker in einem Londoner Kino eher zufällig eine Tripel-Filmreihe des Porno-Kult-Regisseurs Russ Meyer sehen, hat die Suche ein Ende. Neben den Filmnamen 'Mudhoney' und 'Faster Pussycat' (die damals schon beide von Bands beansprucht wurden) entscheidet man sich für den dritten, ebenso klingenden Namen 'Motorpsycho'. Nachdem sich das Trio zwei Jahren lang mit Proben und Songwriting beschäftigt hat, wird die erste Platte 'Lobotomizer' veröffentlicht, ein Ausflug in ein Reich von schrägen Hard-Rock Nummern, mit denen sich so manch eingefleischter Motorpsycho-Fan (mich eingeschlossen) heute schwer tut. Für ihr drittes Album 'Demon Box', mit dem die Band sich große Reputation in Skandinavien und Europa verschafft, wird Drummer Jessen durch Håkon 'Geb' Gebhardt ersetzt, der bis zum heutigen Tag mit Bent und Snah den Kern der norwegischen Psychedelic-Rocker bildet. Eine ausgedehnte Tour und zwei EPs ('Mountain' und 'Another Ugly EP') folgen.
Produktionsmaschinerie
Das erste Motorpsycho-Album, dass ich in Händen hielt war 'Timothy's Monster' (1994). Ein Doppelalbum voll mit wunderschönen Pop-Melodien und lärmigen, experimentellen Instrumentalnummern. Einfach genial. Und noch immer zählt der auf dieser Platte enthaltene Track 'Watersounds' (hier zu hören) zu meinen absoluten Favourits. Seit diesem Release veröffentlichen Motorpsycho auf Sony Norwegen und Stickman Records (für den Musikmarkt der restlichen Welt) eine Platte nach der anderen. Unzählige Singles und Tracks für Compilations zieren die unüberschaubare Liste ihrer Discographie. Hervorzuheben sind einerseits das Werk 'Blissard' (1996), mit dem sich die Band von ihren experimentelleren Vorgängern immer mehr in die Richtung des klassischen Gitarren-Pop-Songs entwickelt, und andererseits das zweite Doppelalbum 'Trust us' (1998), auf dem ausufernde Rock-Epen die pure Energie von Motorpsycho widerspiegeln. Die Nummer 'Vortex Surfer' wurde nach dem Aufruf einer norwegischen Radiostation von den Hörern sogar zum besten Rocksong des auslaufenden Jahrtausends gewählt. Die Folge: Der über acht Minuten lange Track wurde zum Jahreswechsel 1999/2000 in Dauerrotation 24 Stunden lang gespielt. Für Bent einer der Höhepunkte der Motorpsychogeschichte.
Let them hear Motorpsycho
Eine entscheidende Stilwendung brachte das Album 'Let Them Eat Cake' (2000) mit sich, das in den norwegischen Charts sofort auf den ersten Platz stürmte und sich auch in Deutschland in die Reihe der Best Selling Records einschlich. Ruhiger als bisher präsentieren Bent, Snah und Geb auf 'Let them eat cake' ihre Kompositionen. Auf Motorpsycho-typische mehrminütige Gitarrensolos und komplexe Rhythmuswechsel verzichtet man weitgehend. Bass- und Gitarrenlinien wurden reduziert und der frei gewordene Klangraum mit Streichern und Bläsern aufgefüllt. So entstand das bis dahin wohl sonnigste Motorpsychoalbum. Doch wie schon so oft in ihrer Bandgeschichte, sollte das Folgewerk diese Stimmung noch übertreffen. 'Phanerothyme' verbindet zarte Akustiknummern (wie den Opener 'Bedroom Eyes') mit eigenwillig arrangierten 70ies-Pop-Rock-Songs. Der treibende Beat und die mehrstimmigen Gesangsparts der famosen Single 'Go to California' erinneren beispielsweise an die Surfer-Tunes der Beach Boys. "get up / go to california / go to where the skies are blue move on there are no exceptions / the world is turning tricks for you / some dream too much / some dreams turn into nightmares too / all dream / but not a single soul wasted time and stayed content / there is no tomorrow / there's only now / and when you think about it so much left to do / you can have kisses by the millions if you want to... / get up, go to california!" ('Go to California')
Live-Psychos
Auch dieses Jahr ist den Mannen aus dem hohen Norden ein musikalisches Glanzstück gelungen. Es nennt sich 'It's a Love Cult' und spannt einen Bogen von den rockigen Tagen der 'Trust us'-Zeit bis zu den streicher- und bläserinfiltrierten 70ies- Collagen von 'Phanerothyme'. Allein die erste Singleauskopplung 'Serpentine' (Video zum downloaden hier) bleibt durch federleicht klingende Gitarrenlicks und die sehnsuchtsvollen Gesangslinien von Snah für unbestimmte Zeit im Gehörgang stecken. Die durchwegs positiven Reaktionen zu 'It's a Love Cult' gehen auch weit über den großen Teich hinaus. So waren Motorpsycho am 10. Oktober dieses Jahres in dem kultigen New Yorker Club Knitting Factory zu bestaunen.
Hierzulande waren Motorpsycho vor zwei Jahren im Rahmen der 'Let them eat cake'-Tour zu sehen. Knapp über zwei Stunden konnte man sich in der Wiener Arena von ihrer psychedelischen Rock-Performance überzeugen lassen. Heute, 18. November, solltet ihr euch erneut in die Arena aufmachen, um ab 20 Uhr die Norweger live auf der Bühne mitzuerleben.
Aber Achtung: Hat man sich erst einmal auf den Sound der symphatischen Motorpsycho eingelassen, kann es leicht zum Love-Cult werden.
Tipp: Andreas Gstettner
|
|||||||||||||||||