Interview
taken from the German magazine
HEAVY ODER WAS?, March 1995.
German. Interview found in the depths of the mighty Stickman archives.
Thanks to Jeanette!
In ihrem Heimatland Norwegen zählen MOTORPSYCHO zu den meistgefragten Acts, was nicht von
ungefähr kommt, denn das fantastische '93er-Album "Demon Box" überragte mit eigenständiger
Rockmusik, die eigentlich überhaupt nicht zu definieren ist. Anläßlich des kürzlich releasten
brandneuen Werks "Timothy's Monster" verweilte das Quartett in Deutschland, um der Presse Rede
und Antwort zu stehen.
Die Musik MOTORPSYCHO's ist so facettenreich und variabel, wie es steigerungsfähiger nicht
mehr geht. Von psychedelischen Balladen über wilden Punk bis hin zu progressiven Auswüchsen
findet man hier alles. Und dabei verliert die Band niemals ihre unbeschreibliche Intensität,
wovon Ihr Euch unbedingt auf der über 100minütigen neuen CD überzeugen lassen solltet.
Wenn's angebracht ist, setzen die unkonventionellen Jungs auch Geigen, Banjos und
Keyboards ein. Ich würde sie grob als eine Mischung aus SOUNDGARDEN, JOY DIVISION, JANE'S
ADDICTION und JIMI HENDRIX beschreiben, wenn dies auch nicht ganz den Nagel auf den Kopf
trifft, aber betonen sollte, daß MOTORPSYCHO eine gelungene Alternative in der alternativen
Szene sind.
Das neue Album klingt stellenweise verrückter als unsere früheren Sachen, obwohl wir unser
Augenmerk vor den Aufnahmen eher auf einen stärkeren Einfluß traditioneller Metal-Elemente
legten. Ich glaube, als Ergebnis ist ein kompaktes Werk herausgekommen, welches viele,
geschmacklich unterschiedliche Leute ansprechen sollte. Wir haben nun endlich ein
eigespieltes Line-up gefunden und jeder weiß genau, was er vom anderen erwarten kann.
Die Zusammenarbeit beim Songwriting lief sehr harmonisch, die Ideen wurden nicht wahllos
aneinander gereiht, sondern genau abgewägt, ohne das jemand sauer war, wenn seine Idee
nicht genutzt wurde. Bei unseren breitgefächerten Einflüssen und Vorlieben muß man
genau darauf achten, daß ein Song nicht konfus wirkt. Nicht jeder einzelne hat sich
weiterentwickelt, sondern die Band an sich."
Ihr seid ziemlich populär in Norwegen, während euch in Mitteleuropa kaum jemand
kennt.
"Wir haben in Skandinavien bereits etliche Male getourt. Die Musikszene dort ist
weitaus kleiner und dadurch auch übersichtlicher als in Deutschland. Man kann hier deutlich
einfacher auffallen. Unsere Plattenfirma versucht uns aber, auch in Deutschland bekannter zu
machen, weil dort ein großer Markt ist und die Leute für Musik im Allgemeinen aufgeschlossen
sind."
Da wäre aber ein weiteres Problem: "Timothy's Monster" wird mit seinen über 100 Minuten
Spielzeit als Doppel-CD oder Triple-LP veröffentlicht. Dadurch ist der Kaufpreis auch
nicht gerade billig, was doch ein gewagtes Unterfangen für eine größtenteils unbekannte
Gruppe ist.
Wir hatten so viele Ideen und wollten diese nicht vor uns herschieben. In der Relation
zu einer normalen CD oder LP wird "Timothy's Monster" um einiges günstiger angeboten
werden, wenn man sich die Spiellänge betrachtet. Ich denke, die Leute bekommen einen
relevanten Gegenwert für ihr sauer verdientes Geld."
Könnte es nicht schwer werden, die Leute mit solch einer vielschichtigen, unberechenbaren
Musik zu erreichen?
"Die Musikszene im Allgemeinen ist sehr eingefahren. Ich glaube, es ist gut, wenn Bands
experimentieren und so der Szene neues Leben einhauchen. Wir sind froh, daß wir in unseren
Anfangstagen diesen Weg gewählt haben, denn nun sind wir an einem Punkt, wo wir in keinster
Weise limitiert sind. Wir können machen, was wir wollen und keiner kann behaupten, daß
MOTORPSYCHO ihren Stil verändert haben, um sich kommerziell anzubiedern. Unsere Musik
reflektiert unsere Charaktere nach außen und primär komponieren wir unser Materail für
unseren eigenen Spaß."
Doch den Leuten scheint es schwer zu fallen, sich mit komplexer Musik
auseinanderzusetzen.
Wir machen keine komplexen Songs. Die Stücke an sich sind immer kompakt und mit einem roten
Faden durchzogen. Wir versuchen eingängige Melodien auszuarbeiten, an die sich der Hörer
erinnern kann. MOTORPSYCHO ist auch keine harte Band. Auf ein ganzes Album gesehen, ist
unser Material sehr unterschiedlich und variabel und man braucht schon ein parr Durchläufe,
um es komplett zu verstehen. In unserer Mucke steckt viel Gefühl, was auch daher kommt,
daß wir sehr von den 70'ern beeinflußt sind, wo Musik noch Musik war und nicht von den
Medien gesteuert wurde. Dieses Gefühl zu erfassen, ist die Aufgabe des Hörers, damit er
MOTORPSYCHO ergründen kann."
Welche Leute kommen denn zu euren Konzerten?
"Es ist ein lustiges Kunterbunt. Man sieht Punks, Grunge-Anhänger, Hippies, Metal-Fans
oder auch ältere Leute jenseits der 40. Ich glaube, diese Mischung spricht für uns, denn
es gab noch keine Streitereien oder Auseinandersetzungen bei den Gigs. Musik kann die
Menschen zusammenführen und sie zu einer toleranten Sichtweise bewegen. Kommt doch einfach
mal vorbei."
Also seid ihr durchaus kommerziell veranlagt.
Nicht kommerziell in der Art, daß wir bewußt Stücke schreiben, die bei einem großen
Publikum ankommen könnten. Wir haben schon ein paar Ohrwürmer parat, die ohne Probleme im
Radio gespielt werden könnten, doch wir kopieren uns nicht selbst und denken nicht
pausenlos darüber nach, ob dieser oder jener Song nun einschlagen könnte. Ich glaube, es
ist nicht gerade kommerziell, wenn man Metal mit Country, 70's-Prog, Psychedelic oder
rockuntypischen Instrumenten vermischt. Aber wer kann schon sagen, was morgen, nächste
Woche oder im kommenden Jahr als kommerziell angesehen wird. Das Leben mit all seinen
Veränderungen und Wendungen hält die größten Überraschungen parat. Ich kann lediglich
sagen, daß wir ehrlich sind und uns niemals von irgend jemandem vorschreiben lassen,
was wir zu tun haben. Es ist unsere Musik und wir müssen es verantworten, wenn uns
jemand danach fragt. Ich könnte dir an dieser Stelle kein Interview geben, wenn die Musik
von jemand anderem gesteuert würde. Musik bedeutet für uns Freiheit und
Abenteuerlust."
Detlef Dengler