[media stories: german: 2000] |
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Motorpsycho
Let them sound real
Article around the release of Let Them Eat Cake
Referenz
Ein Geständnis: Angesichts von "Let Them Eat Cake", der jüngsten Botschaft aus Trondheim, bekam ich meinen alljährlichen Yes-Flash. Ihr wißt schon: Kirchenorgeln über 20-Minuten-Steigerungen und Mellotron-Gewürge, Bottleneck-Gitarrensoli, krummste Takte, verbrämte Natur-Utopien in Texten, die zu 70 Prozent aus den Worten "Sun", "Flowers", "Dreaming" und "Mountain" zusammengekloppt wurden, und die herrliche unhörbare Kastratenstimme von Jon Anderson. Ich bevorzuge die frühe Siebziger-Prog-Rock-Ära der Saurier-Band, die heute nur noch wie ein Schatten ihrer selbst auf "Eagle Records" verkümmert. Sind meine Gelüste auch eher aus einer recht sentimentalen Gefühlslage entstanden, erzeugen sie doch genau die richtige Zeitleiste, auf der wir uns in die musikalische Vergangenheit und Wahlheimat von Bent, Snah und Gebhardt begeben können.
Spektrum
Das Trio ist mit seiner inzwischen siebten Studio-LP erneut einen ungewöhnlichen Schritt gegangen. Hatte doch jeder ob stark bluesrockiger Live-Präsenz nach "Trust Us" und Amerika-Urlaub für die "South by South West"-Premiere einen Ruck zum Schweinerock erwartet, schickt uns "Let Them Eat Cake" in die Jahre '68 bis '72 und das Universum der Allman Brothers, CCR, Emerson Lake And Palmer, Nick Drake und ewiger Helden wie King Crimson und The Who. Nun gut, für routinierte Motorpsycho-Hörer ist es sicherlich keine Überraschung, 45 Minuten "Retro" serviert zu bekommen. Doch ist "Let Them Eat Cake" erstens viel mehr Konzeptwerk, als es das Doppel-CD-Werk "Trust Us" war, und zweitens sucht es sich die lieblichste, schönste und farbenfroheste Ecke, in der sich die Band je breitgemacht hat.
Dynamik
"Das ist das erste Mal, daß eine unserer Platten komplett fertig komponiert war, als wir ins Studio gingen. Wir wollten eine Platte machen, bei der alles so passiert, wie es geplant ist, und vor allem so klingt, wie wir es wollen." Bent Saether ist sich bewußt, daß das neue Album bei Fans anders ankommen wird als opulente Vorgänger wie "Timothy's Monster", nicht jedoch, ohne allen, die den Rock'n'Roll vermissen werden, vorweg die Luft aus den Segeln zu nehmen. "Es wird ein anderes Album geben, auf dem all die 'lauten' Stücke sein werden. Das wird auch klasse, denn es erscheint auf Frank Koziks 'Man's Ruin Records' in den USA. Die richtige Umgebung. Auf diese Platte hätte der hard stuff nicht gepaßt, sie hat eine genaue Linie, und die ist ... eben ruhig, nicht schlapp, aber ruhig."
Settings
Unüberhörbar tragen sie sich mit den 60ern als Referenz, als Orientierungshilfe für die Ohren. Angefangen bei Bents Baß-Verstärker, ein "Hiwatt"-Monstrum, dessen Typ auch schon King Crimsons John Wetton malträtierte. Gebhardts ausgeprägte Keith Moon-Affinität schlägt sich in offenen Snares und nur leicht gedämpften 24-Zoll-Bassdrums nieder. Schließlich Snahs Begeisterung für den Jazz eines Sun Ra und die "Gewöhnung" an die Produktpalette der Verstärker-Oldies "Orange". Unter einem Hut, in einem Studio hieß das zwischen Februar und August 1999 vier verschiedene Schlagzeuge, eine Vielzahl an Gitarrenverstärkern und Gitarren und ein Konzertsaal mit den Maßen 20x8x8 Meter für die Streicheraufnahmen. "Wir wissen natürlich, daß es live schwer wird, den Klang so zu reproduzieren, wie er für diese Platte gemacht wurde. Die Bühne ist dabei entscheidend. Eine klingt lebendig, klingt mit der Musik, eine andere ist tot, durch Schallschutzmatten oder zu niedrige Decken einfach komplett jeder Resonanz beraubt."
Transparenz
"Genau wie von den Arrangements hatten wir auch vom Sound der Platte genaue Vorstellungen,
und die bezogen sich vor allem auf 'das Echte'. Mellotrone sind zwar cool, aber das echte
Streichensemble ist eben 'das Echte'. Die braunen Instrumente, die einfach warm sind und
einem auch solche Gefühle entlocken. Genau wie die Bläsersätze, die man einfach nicht
ansatzweise imitieren kann. Die Arrangements wurden von Baard Slagsvold geschrieben, der
uns auch live an den Keyboards ergänzen wird. Er hat Jazz-Piano studiert und hatte genau
den richtigen Draht zu unseren Vorstellungen. Die Tatsache, daß wir Streicherarrangements
hatten, zwang uns dazu, die Stücke immer gleich zu spielen, denn du kannst nicht einfach
ein paar blue notes oder Akkordverminderungen spielen, wenn hinter dir ein Streichquintett
reine Dur-Harmonien fabriziert." Carsten Sandkämper
Pop Up
Schlagzeuger Gebhardts Solo-Debüt "Gebhardt Playing With Himself" steht zur Vervielfältigung bereit, ein Pandeimonium skurriler Homerecording-Tracks unter Zuhilfenahme verschiedenster Küchengeräte und seines Lieblingsinstruments, des Banjos.
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