[media stories: german: 1995] |
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Article / Interview with Bent + Snah Ist es wieder Zeit für »Rockmusik«? Ist die Sättigungsgrenze erreicht? Trends sterben bei ihrer Geburt, viele sind »Sick Of All Core« (copyright M. Weckermann). Die Presse (wir / ich) nimmt sich das Recht zum Verriß wie allmorgendlich Butter aufs Brot, dabei kein Blatt vor den Mund und sieht sich im Kreuzfeuer von Leser und Industrie. Ein Schreiber kann nicht mehr für etwas sein, ohne es zu »glorifizieren«, er kann nicht mehr dagegen stimmen, ohne »auf eigener Profilsuche abzuhassen«. Wo liegt der Fluchtpunkt, auf den sich der Verfasser stürzen kann, wohin soll ich flüchten? Vielleicht dahin, wo der Horizont so weit entfernt ist, daß er musikalischen Visionen im Spannungsfeld zwischen zivilisatorischer Ein- und nordischer Zweiöde den größtmöglichen Raum zu gewähren scheint.
Gestern
Als das Trio aus Trondheim/Norwegen 1991 seine erste Platte einspielt, ist es »irgendwie gitarrenlastig«; eher unbemerkt im alternativen Sumpf, heimst es allemal Exotenstatus ob seines Herkunftslandes ein. MOTORPSYCHO? Nie gehört oder »mal reingehört«. Der spießigen Beschaulichkeit, in der Bent Saether, Snah Magnus Ryan und H. (?) Gebhardt aufwuchsen, sollen sie denn auch nur langsam entwachsen. »Eight Soothing Songs For Ruth« geht vorsichtig in die Offensive. Wieviel Aggressivität schlummert in dem roten Bretterschuppen inmitten der Trostlosigkeit Trondheims? Die Antwort gibt »Demon Box« und ist Geschichte. Die Presse überschlägt sich, wir überschlagen uns. Die wildesten Vergleiche von DINOSAUR JR. und MONSTER MAGNET über NEUROSIS bis HELMET werden gezogen, alle Bands stehen in Bents Plattenschrank. Die sind wie ... und wie ... und ... Ja, schon! Aber das war gestern. MOTORPSYCHO? Kenne ich ... Live? 1994, Forum Enger, klein, schnell voll, stickig (wohl das am häufigsten gebrauchte Clubattribut) und laut. Richtig für 20minütige Psychedelic-Ausflüge in »Mountain«, aber auch für PRINCEs »Rasberry Barret«. »California Dreaming« muß dran glauben. Sie wollen sentimental sein. Sie können. Auch können sie kompromißlos sein. Alle Trommelfelle sind weniger wert, doch selbst nach 30 Minuten »The Wheel» wollen die Leute mehr. Keine Chance, keine Zugabe. Die Band fährt nach Hause. Schließlich will sie nicht stehenbleiben. Nach zig EPs und Touren mit wechselhaftem Publikumsaufkommen soll ein drittes Album kommen. Auf der PopKomm werde ich vorgewarnt. Es werde eine Doppel-CD und eine Dreifach-LP, nicht mehr so hart, ein wenig mehr Melodie, und so ... Hm, gut. Aber das war gestern. MOTORPSYCHO? Eine neue Platte, aha ...
Heute
Spelle, Dezember 1994. Bent und Snah treten nur mit akustischen Gitarren vor die Leute. »An Evening Of Acoustic Magic«. So naiv das Motto des Abends anmutet, wird er. Aus vollen Kehlen schmeißen uns die beiden wunderschön getragene »Unplugged-Versionen« der vergangenen Platten entgegen. Die Intensität, weniger die Perfektion, das Augenzwinkern (die Ananas und der Kleiderständer aus dem Backstageraum mußten mit auf die Bühne), die Ausstrahlung - ein Fünkchen dessen, was sich »Plugged« in voller Gewalt entlädt. Ein Bent-und-Snah-Sympathiegebeabend. Ich unterhalte mich mit beiden, denn sie sind »on a mission«. Sie haben »Timothy's Monster« im Gepäck.
Hat sich eure Herangehensweise an das neue Material im Vergleich zu
»Demon Box« verändert?
Was erwartet ihr von dem Album? Es kommt sehr monumental auf den Hörer zu und scheint
zeitweise sehr, wie soll ich sagen ...
Ja, fast wie ein Meilenstein, oder so ... Wie denkt ihr, daß es angenommen wird?
Ich glaube, das Album hat einen beabsichtigten Verlauf, wenn es schon akustisch mit
»Feel« beginnt, also doch ein gewisses Hörkonzept.
Pompös ist ein gutes Stichwort für die sehr langen Stücke. Was hat es z. B, mit (dem
10 minütigen) »Giftland« auf sich?
Es gibt viele Klischees, die mit eurer Musik in Verbindung gebracht werden. Wie steht ihr
nach dieser Platte zu Stigmas wie »psychedelic« oder »sounds like
...«?
Bessere Attribute wären also »melancholic« oder »sentimental«?
Das meine ich aber auch, mit diesem Streichquartett und so ...
Für mich ist »The Golden Core» inzwischen zum zentralen Stück der Platte
geworden.
Oh, Oh, home again...
Womit wir wieder in Norwegen, damit in Trondheim und in MOTORPSYCHOs Proberaum wären. Das
Video zur Single »Wearing Yr Smell« zeigt mir die tatsächliche Trostlosigkeit,
in der sich die Band bewegt. Am roten Bretterschuppen gestartet, strampeln vier Fahrradfahrer
in Trondheim umher. Bent reißt im Fahren Textblätter mit Stichworten des Textes ab - nicht
unbedingt eine neue Idee, durch die dilettantische Ausführung jedoch umso sympathischer. Im
Hintergrund, dem einzig abwechslungsreichen Gesichtspunkt des ganzen Filmchens, ist nichts
los. Auch wenn der Satz widersprüchlich klingt: Diese Umgebung erzeugt Musik, die zur
einzigen Motivation wird, Monotonie mit Klängen zu reflektieren und zuzudecken. Ohne daß
etwas passiert ist, stellen die vier ihre Fahrräder an die gleiche rote Bretterwand und
verschwinden im Haus. Zuhause, wo nie etwas passiert.
Morgen
Es ist Zeit für MOTORPSYCHOs Musik. Die Rechtfertigung hierfür ist ihre Abkehr von allen angerissenen Stilen vergangener Platten und damit unsere »Chance«, ein eindeutiges Vakuum inmitten von Trends und Hypes (obwohl die natürlich supergut sind, schon klar!). Eine Europa-Tour ist für März in Aussicht gestellt (mit einem neuen vierten Mann an den Keyboards). Der Soundtrack für den überragenden Western »The Tossler«, ein Country-Album, ist bereits aufgenommen, und die Band arbeitet an der CD, die darauf folgt. Die stilistischen Nischen, die sich die Norweger bis dato gesucht haben, um allen Erwartungen zu widersprechen, werden sie auch weiterhin finden. In einer solchen sitzt Bent mir gegenüber und meint, die Stille seiner Heimatstadt mache ihn zeitweise psychotisch. MOTORPSYCHO? Klar, über die habe ich mal geschrieben ... Carsten Sandkämper
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