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  [media stories: german: 1994]



Motorpsycho - Gitarrenstoff vom Trondheimer Fjord

Interview with Snah taken from the
German magazine
INTRO May-June 1994.
German. Interview found in the depths of the mighty Stickman archives.
Thanks to Jeanette!


Motorpsycho das ist die Band aus der Stadt im hohen Norden: Trondheim. Nicht zu den europäischen Metropolen zählend, birgt die Stadt dennoch ein Trio in sich, welches seinesgleichen in Europa sucht. MOTORPSYCHO ist die Band, von der ich im August letzten Jahres ihr damals aktuelles Album »Demon Box« in die Hände bekam. Es war überwältigend, was die mir bis dahin völlig unbekannten Norweger vorsetzten. Den besten Grunge-Folk-Hardcore-Rock, den ich je gehört hatte. Einige Zeit später folgte die »Mountain«-EP, die den Stilvarianten zwischen HELMET, MONSTER MAGNET und wilden psychedelischen Passagen noch eins draufsetzte. Das Interview (leider nur am Telefon) führte ich mit MOTORPSYCHO-Sänger Snah.

Auf eurer neuen EP (»Another Ugly EP«) habt ihr, wie schon bei euren anderen Veröffentlichungen, viele verschiedene Stile einfließen lassen. Ist das eure Philosophie?
Snah:
Das ist schwer zu sagen. Du kannst nie einen MOTORPSYCHO-Song vorhersagen. Ich denke, weil wir das Mögliche in dem Stück und die Gefühle, die darin stecken, jedesmal maximieren wollen. Wir wissen also nie vorher, wenn wir einen Song proben oder aufnehmen, wie es am Ende klingen wird.

Was ist mit dem Song »Summertime Is Here«, er ist weder von euch geschrieben, noch von euch gesungen. Was hat das auf sich?
Snah:
Der Großonkel unseres Schlagzeugers Gebhardt, LARRY LUX, hat das Stück geschrieben und gesungen, der ist so etwas wie der belgische TOM JONES Rip-off. Das Stück ist eine Single, die sich in Belgien und Holland in den frühen Siebzigern einigermaßen als Hitsingle verkaufte.

Woher kommt dié Inspiration für eure Stücke? Ist es die norwegische Musikszene, oder sind es vorwiegend ausländische Bands?
Snah:
Ja, nein, das ist ein ziemlicher Misch-Masch an Inspirationen und was wir fühlen, wenn wir ein neues Stück schreiben. Vielleicht ist es ein Produkt aus dem Leben in einer so merkwürdigen Stadt wie Trondheim in Norwegen, die so weit ab liegt von den europäischen Musikszenen wie Deutschland oder Holland. Es kommen nur wenig Bands nach Trondheim und spielen hier, so daß wir uns nicht viel anschauen können. Natürlich haben wir viele Platten von ausländischen Bands, deren Melodien wir sehr mögen, aber wir versuchen ohne Muster oder ähnliches auszukommen.

Die Leute, die eure Platten hören, könnten euch mit Bands wie MONSTER MAGNET, HELMET oder DINOSAUR JR. vergleichen. Ärgert euch das, wenn ihr als Grunge-Band bezeichnet werdet?
Snah:
Nein, das sind tolle Bands, und wir haben viele Platten von ihnen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum wir so klingen. Der Titel einer Grunge-Band würde uns nicht ärgern, das ist alles doch nur eine Trendsache, darüber regen wir uns nicht auf. In den Trends der heutigen Musikszene gibt es Muster, die viele Bands langweilig machen. Uns ist es egal, ob wir einen Grunge-Song oder einen Folk-Song machen, wir kümmern uns nicht um Stile und auch nicht um ein bestimmtes Image. Wir wollen unsere musikalischen Ideen rauslassen und dabei Spaß haben.

Für euer letztes Album »Demon Box« gab es zuwenig Promotion. Für mich ist es aber ein potentielles Erfolgsalbum. Woran lag die schlechte Vermarktung?
Snah:
Das hat sicher viel mit Promotion zu tun, denn es ist ein großartiges Album, für das wir auch viel positives Feedback bekommen haben. Aber keins von den großen Musikmagazinen war daran interessiert, über die Band oder das Album zu schreiben. Es ist halt ziemlich schwierig, auf einem kleinen Independent-Label zu arbeiten. Hinzu kommt, daß wir letztes Jahr erst unsere zweite Tour durch Deutschland gemacht haben. Durch die jetzt bessere Promotion hoffen wir, daß bei der nächsten Tour mehr Leute kommen und auch die Platte besser ankommt.

Was ist mit euren Texten? Warum druckt ihr sie nicht ab? Was ist z.B. mit dem Satz auf eurer neuen Platte »... get the carkeys, get the children, get the gun ...«?
Snah:
Erst einmal: Das Abdrucken der Texte der letzten beiden Veröffentlichungen war ein wirtschaftliches Problem. Wir haben große Pläne mit Booklets und solchen Sachen, aber das bis jetzt noch nie geklappt. Das ist zwar ziemlich scheiße, aber du kannst die Texte über unsere Fanclub-Adresse bekommen. Der Song »Another Ugly Tune« handelt vom Vorstadtleben hier in Trondheim oder wo auch immer. Mutter und Vater arbeiten den ganzen Tag, kümmern sich kaum um ihre Kinder und das ist dann die Lösung, was passiert: »get the carkeys, get the children, get the gun ...«. Das ist der scharfe Kontrast zu der Stimmung in dem Stück mit Wah Wah-Sound und dem Klang einer 70er Jahre Wurlitzer-Orgel. Das klingt sehr heruntergekommen, eben vorstädtisch, mit all den Problemen, die hier herrschen. Drogen, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und die ganzen Fernsehkanäle mit ihrer Informationsflut, das bewegt uns genauso wie jede andere Band in Europa. Wir leben in Trondheim und benutzen deshalb Bilder aus der Kleinstadt, um die Probleme zu beschreiben.

Wie sieht es bei euch in Norwegen mit der Musikszene aus? Gibt es dort eine lebendige Szene mit Bands wie LIFE...BUT HOW TO LIVE IT??
Snah:
Ja, LIFE...BUT HOW TO LIVE IT? ist eine großartige Band, die wir auch persönlich sehr gut kennen. Aber es gibt noch ein paar andere hier, wie FUNNY FARM, die auch aus Trondheim kommen und gute Freunde von uns sind. Oder in Oslo gibt es SO MUCH HATE, die wie FUNNY FARM Punk-Hardcore machen. Die Sache ist leider nur, daß LIFE...BUT HOW TO LIVE IT? sich aufgelöst hat. Nach vier Jahren Tour hatten sie keine Lust mehr, mit ihrer Musik zu arbeiten und persönliche Fuck-ups waren wohl auch ein Grund für die Auflösung.

Ihr seid auf einem Sampler, der Charles Manson gewidmet ist. Er war Führer einer okkulten Sekte und verantwortlich für mehrere Morde. Warum habt ihr euch dazu entschieden?
Snah:
Es gab eine Menge Aufregung um unseren Beitrag zu dieser Platte, aber ich hoffe, die Leute lesen das Booklet. Dann werden sie nämlich sehen, daß es nicht um eine Huldigung geht. Wir wollten seine Existenz aufzeigen, daß er in seinem Leben politisch gefangen war. Ich denke, er war eine Art Visionär, was sein okkultes Wissen angeht. Seine Meetings und seine Tötungen sind natürlich absolut widerlich und zu verurteilen.

Zuletzt habe ich Snah dann noch gefragt, ob sie denn von ihrer Musik leben können. Die zu erwartende Antwort war natürlich: »Nein, wir erhalten alle Sozialhilfe«. Das Los einer Band, die versucht, allen Fragen des Stils und Images zu entsagen und dabei einen ganz eigenen Sound kreiert ... Ob das vielleicht dieses Mal bei der potentiellen Hörerschaft einen größeren Erfolg haben wird, als bei der letzten Tour, werden wir im Mai sehen, wenn MOTORPSYCHO wieder nach Deutschland kommen.

Jörn