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  [media stories: german: 1995]



Eintauchen in Stille und Lärm

Concert review of the Nürnberg-KOMM-gig / August 1995
from the German newspaper
NÜRNBERGER NACHRICHTEN, 1995-08-22.
German and ... really excellent! Review found in the depths of the
mighty Stickman archives. Thx to Jeanette!


»Motorpsycho« im Nürnberger Komm

     Ein Konzert im Rausch, das nur durchtanzt oder mit offenem Mund bestaunt werden konnte. An Intensität kaum noch zu überbieten, waren »Motorpsycho« aus Norwegen im Nürnberger Komm.

     Vielleicht braucht es ja die Abgeschiedenheit Trondheims, um diese Ausgewogenheit von Stille und Lärm hervorbringen zu können. Das Stück »The Golden Core« beginnt unendlich langsam. Zögernd. Die Gitarre spielt nur Viertel, der spröde, dünne Gesang besteht vorwiegend aus taktlang gedehnten Noten. Die Melodie ergibt sich aus einer Baßfigur und den geschrammelten Gitarrenakkorden. Allmählich schraubt sich ein stetes Thema heraus, da entdeckt man ein neues Element: ein Keyboard klingt nach Xylophon, jenseits der bis da festgelegten Harmonie. Das Schlagzeug treibt variantenreich, bis endlich ein mäßig schneller Strudel entstanden ist, der den Zuhörer nur mitreißen kann. Immer lauter wird das Stück, wird zum Instrumental, dann erklingt der Refrain neu und lauter und man möchte das dieses Lied niemals aufhört.

     Im Komm war es die erste Zugabe von zwei und schließlich der Höhepunkt. Zuvor ging es zwei Stunden durch ein Bad der Depression mit der typisch eingebauten »Motorpsycho«-Glücksdusche. »Ich bin noch nicht tot, aber ich arbeite daran« heißt es in »Wearing Yr Smell«. Und »Du kannst mich nicht kennen, ich kenne mich selbst nicht«. Wir sind, was wir sind und das leben wir, auch wenn es zu nichts führt.

     Zehn Jahre ist es her, da gewann ein junger Schriftsteller in Oslo einen Preis für seinen Roman »Weiße Nigger«, worin die Langeweile und die Lebenslust der jungen Norweger beschrieben wurde. Suff, Drogen, Sex und Musik im drögen, kalten Land. Irgendwie scheinen heute »Motorpsycho«, ein Stück melancholischer als Ambjornson damals, das Buch umzusetzen. Ein bißchen von Pete Townsend und den »Who« ist zu hören, ein Hauch »Beatles« und viel, sehr viel Psychedelic. Aber »Motorpsychos« Musik funktioniert, weil sie zwar intelligent gemacht ist, aber nie so wirkt, da die angewendeten Kniffe schon auf der CD kaum zu bemerken sind. Im Komm bleibt nur der fesselnde Eindruck von Intensität, der Malstrom in letzter Konsequenz. Das Eintauchen ist dringend empfohlen.