Ich habe gehört, daß ihr schon vor der Veröffentlichung des neuen Albums einige tausend
Vorbestellungen hattet.
Bent: Das war schon recht seltsam, weil wir gut 5.000 Stück verkauft hatten, bevor die
Platte raus war, und das ist wirklich a shitload full of records. Ich weiß eigentlich auch
nicht, warum wir soviele verkauft haben, weil das einzige, was wir an Promotion gemacht haben
war eben nur, daß wir die ersten zwei CDs auf dem norwegischen Label haben und eine
Deutschland-Tour gemacht haben im Januar '91. Aber, wow, anscheinend hat einigen Leuten
unsere Musik gefallen.
Laß uns über eure Musik reden. Helge hat mir immer wieder gesagt, wie fantastisch
MOTORPSYCHO sind, und als ich dann die CD selbst gehört hatte, mußte ich ihm zustimmen.
Für mich ist das eine seltsame Mischung aus HELMET-mäßigen Parts, etwas Metal-Rock,
70s und Folk.
Bent: Es gibt viele Einflüsse in unserer Musik, aber wir haben uns nie direkt
vorgenommen, eine bestimmte Art von Band sein zu wollen. Wir spielen die Songs einfach
so, wie wir meinen, wie die Songs gespielt werden sollten. Ob es nun ein harter oder
folkiger Song ist, wir setzen uns kein Limit über irgend einen bestimmten Musikstil.
Deswegen ist das Resultat unserer Musik auch etwas schizophren, glaube ich. Aber egal,
was wir machen, es ist immer MOTORPSYCHO-Sound. O.K., für ein untrainiertes Ohr hört
es sich an, als ob da drei oder vier Bands spielen, aber es ist nach wie vor
MOTORPSYCHO.
Klar, und speziell der erste Song auf der neuen CD ist genial, erinnert mich etwas
an die POGUES. Wie seid ihr dazu gekommen, so einen Song zu schreiben?
Bent: Es ist der gleiche Song, wie der letzte auf der CD. Ich weiß nicht, ob dir das
aufgefallen ist? Wir haben den Song erst als "normalen" Song gemacht, und wir haben dann
gemerkt, das dieser Song akustisch gespielt auch sehr gut kommt. Und dann haben wir eben
im Studio den Song akustisch aufgenommen, einige Harmonie-Vocals darüber gesetzt und als
Resultat kam dieser Song heraus, von dem wir sagen, "der ist spaßig". In Norwegen ist
MOTORPSYCHO außerdem recht bekannt, und wir hatten so das Gefühl, das die Leute ein
bestimmtes Image davon hatten, wonach MOTORPSYCHO sich anhört. Und so hatten wir uns gedacht,
daß wir diese Leute am Anfang des Albums überraschen sollten. It's just like completely
off the wall and for fun, and it's something else, but it's still typical Motorpsycho
sound.
Was würdest du als deine musikalischen Einflüsse bezeichnen?
Bent: Oh ... das ist schwer zu sagen. Als wir anfingen, wollten wir so klingen wie
HÜSKER DÜ, und dann haben wir viele schnelle Pop-Punk-Songs, auch etwas Hardcore. Aber
eines Tages schrieb ich diesen ultralangen heavy Noise-Song, welchen wir im Proberaum
total immer wieder spielten, und das war dann der "Wow"-Effekt. Das ist es! Wir sind aus
den Popsachen herausgewachsen. Auf den ersten beiden Platten kann man noch verschiedene
Einflüsse hören, aber auf "Demon Box" kann man die Songs hören, die für MOTORPSYCHO
repräsentativ sind. Das sind einige folkig-ruhige und einige wirklich ultra-krachige Songs.
Wir hören eben viele verschiedene Stile, und ich z.B. gehe derzeit in die Richtung
Country & Western-Musik, wie GRANT POISON oder FINE BURRITO BROTHERS, eben frühe 70er
Hippy-Country-Sachen. Und unser Keyboard- und Krachmann hört nur solche Sachen wie
THROBBING GRISTLE und andere wirre Sachen. Jeder von uns hat eben seinen eigenen Anspruch
an die Musik.
Du selbst hast aber auch diesen Hardcore-Background.
Bent: Ja, das stimmt, den haben wir. Das mögen wir an Bands, daß sie aggressiv, noisy
und heavy sind. Eine unserer favourite Live-Bands sind Z.B. NEUROSIS, weil die so verdammt
intensiv sind. Und genau das sehen wir gerne bei anderen Bands. Aber manchmal machen wir
das auch ganz anders ... dann wollen wir es eher ruhig haben, mit Violinen, akustischen
Gitarren und vielleicht einem Banjo und spielen einfach nur akustische Songs.
Diese Mischung verschiedener Stile könnte man als Crossover bezeichnen, obwohl
man diesen Begriff mittlerweile ziemlich vorsichtig verwenden muß, weil er ja mittlerweile
inflationär verwendet wird, vor allem von mittelmäßigen Bands, die wohl selbst nicht so
genau wissen, was sie eigentlich spielen wollen.
Bent: Das stimmt. Crossover ist ein Begriff, mit dem ich nicht unbedingt leben möchte.
Einfach schon deswegen, weil ich unsere Musik nicht irgendwie kategorisieren will. Was ist
Punk, was Folk, Grunge, Heavy Metal oder Psychedelic? In unserer Musik gibt es soviele
Einflüsse, daß man unsere Musik wohl einfach nicht auf einen Nenner bringen kann. Wir
nennen unsere Musik "Motorpsychedelic", mehr nicht. Wenn uns jemand aber unbedingt als
Crossover-Band bezeichnen will ... nun gut.
Ich kam auf Crossover, weil ich in eurer Musik durchaus einen gewissen Grunge-Background
feststellen kann. Und es ist weder Punkrock, noch Hardcore, und auch kein Boston-mäßiger
Gitarrenrock, obwohl von all dem doch auch Elemente in eurer Musik stecken. Was mir bei euch
auffiel war, daß trotz dieses Seattle-Einflusses mehr dahintersteckt, daß alle Songs
irgendwie anders klingen. Deshalb Crossover ...
Bent: Ich bin derzeit auch ziemlich genervt von diesem Trend, aber auch von Bands wie
HELMET oder RAGE AGAINST THE MACHINE. An sich sind das gute Bands, sie machen ihre Sache gut,
aber wenn du einen Song gehört hast, kennst du alle Songs. Da passiert nach den ersten drei
Songs nicht mehr viel. Wir haben bewußt versucht, viel Abwechslung in unser Album
reinzupacken, so daß du auch beim fünften Anhören noch was neues Entdecken kannst. Wir wollen
die Leute einfach immer wieder überraschen. Man sollte sich ein Album fünfzigmal anhören
können, ohne gelangweilt zu sein.
Gibt es denn in Trondheim eine Musikszene?
Bent: Im Verhältnis zur Größe der Stadt -- Trondheim hat 140.000 Einwohner -- gibt es
eine ganze Menge guter Bands: ISRAELVIS, die gerade ein sehr gutes, neues Album aufgenommen
haben und schon etwas bekannter sind, und dann eine Reihe neuerer Bands, die auch beim
"Subbacultcha"-Sampler dabei sind -- ALBINO SLUG, FUNNY FARM, die eben ihre erste CD
veröffentlicht haben, oder HEDGE HOG, die eigentlich eine typische Grunge-Band sind und
im Herbst ihr zweites Album rausbringen. Insgesamt gesehen klingen all diese Bands aber
doch sehr unterschiedlich und man kann nicht sagen, daß es sowas wie einen typischen
Norweger-Stil gibt.
Aber irgendwas muß doch für die norwegischen Bands typisch sein. In Deutschland gibt
es Deutschpunk, in Frankreich klingen die Punkbands sehr melodisch, England hat seinen
eigenen Stil ...
Bent: Das war früher mal so, STENGTE DORER, SO MUCH HATE, diese ganzen Bands aus dem
Osloer Blitz-Umfeld hat man als typischen norwegischen Hardcore bezeichnet, aber die neuen
Bands unterscheiden sich von denen doch deutlich, spielen nicht mehr diese Art von
Hardcore. Das soll aber nicht heißen, daß ich diesen Sound nicht mag. Wir spielen immer
wieder mal im Blitz, gehören genauso zu dieser Szene. Meinungsunterschiede über Musik
spielen da keine Rolle. Ich denke, daß es heute nicht mehr möglich ist, DEN norwegischen
Sound zu definieren.
Die norwegische Musikszene ist ja nicht allzu groß. Kann man denn in Norwegen von seiner
Band leben?
Bent: Es gibt vielleicht fünf Bands in Norwegen, die das schaffen. Die verkaufen von
jedem Album 20.000 Stück.
Das dürfte für Norwegen eine ganze Menge sein ...
Bent: Allerdings. Allein in Berlin leben mehr Menschen als in ganz Norwegen, daß mußt
du dir vor Augen halten -- und diese fünf Millionen sind auch noch über ein riesiges
Land verteilt. Das schränkt die Anzahl der Livekonzerte schon einmal erheblich ein.
Insgesamt gibt es vielleicht 50 Auftrittsorte und es ist recht schwer, hier zu touren,
weshalb viele Bands lieber nach Deutschland fahren, wo man viel einfacher eine
einigermaßen gute Tour machen kann.
Ihr seid ja gerade auf Interview-Tour in Deutschland: Was waren denn in den letzten
Tagen die meistgestellten Fragen?
Bent: Wann wir angefangen haben, was für Musik wir spielen und wie man so viele
verschiedene Musikstile auf eine Platte packen kann. Auf Dauer nervt das ganz schön.
Was sind denn eure Pläne für die nächste Zukunft?
Bent: Wir werden auf dem Roskilde-Festival in Dänemark spielen, wo jedes Jahr gut
80.000 Leute hinkommen. Dort aufzutreten ist der Traum jeder norwegischen Band.
Außerdem werden wir bei der POP.KOMM in Köln auftreten und rechtzeitig dafür eine neue EP
rausbringen, die neben vier neuen auch zwei Songs enthält, die auf der "Demon Box" keinen
Platz mehr hatten. Danach werden wir in Deutschland und dem Rest von Europa auf Tour
gehen.
Helge / Joachim Hiller