Article / Interview with Snah
taken from the German fanzine
PERSONA NON GRATA #21 / 1996.
German. Article found in the depths of the mighty Stickman archives.
Thanks to Jeanette!
Immer einen smalltalk wert. Oder ist das bloß ein Zeichen, daß sich die PNG straight into
Nische bewegt? Kaum soviele gemischte Gefühle gehabt beim Wichten eines Albums einer von uns
schon 'ne Weile begleiteten Band. Ja, Klasse, dachte ich ... jeder Ton ... so müssen
Pop-Songs klingen ... Doch löste das eigentliche dumpfe Gefühl die Erkenntnis aus, ein
Frühjahr später "bloß" schon wieder bei Motorpsycho angekommen zu sein. Und das alles trotz
ihrer Veränderung auf "Blissard".
Nein, wir machen es uns nicht leicht. Das wir supertolle Typen / Mädels sind ist ja klar, und so
braucht euch das nicht weiter zu beeindrucken, daß wir jeden Tag neu unsere Umgebung bis aufs
Kleinste analysieren, retrospektieren, systematisch verbal sezieren (und weitere Tätigkeiten
auf -ieren, die ihr sowieso nicht verstehen werdet), daß uns schon richtig schlecht
davon werden dürfte. Und so stellen wir geistigen Knackärsche immer wieder fest, wie doof doch
die anderen sind, die auch so ihr Umfeld musikmäßig journalieren.
Und gerade bei "Blissard" kam ich aus dem Stöhnen nicht mehr raus. Irgendwie war dieses
Album für alle Schreiber des Segmentes "NoisePop"
(1) eine sichere Bank ... Motorpsycho
schwelgt in ihren eigenen, ultimativ gültigen ästhetischen Kategorien und alle finden's
gut ... oder respektabel ... oder wie auch immer ... zumindest ließ keiner
(2) eine negative Haltung erkennen.
Was soll der Scheiß? Sorry, ich weiß, daß ihr das erwartet ... aber ich kann bezüglich
dieser Band keine fluffigen Artikel mehr schreiben, von wegen Motorpsycho Gohlis-Nord
und HaHaachwietoll und so. Immer schwingt das Gefühl mit, man drehe sich im Kreis.
Und erst recht diese Angst, wir drücken euch nur wieder tolle Meßlatten, Selektionskriterien
etc. pp. für den harten, unmenschlichen Entscheidungskampf vor den Plattenregalen aufs
Auge. MOTORPSYCHO! Ich hab mir das tausendmal auf der Zunge zergehen lassen. Aber keine
Chance: ihr neues Album war maaal wieder eins von denen, die mich auf Tape überallhin
begleiteten. Eindeutiges Qualitätsmerkmal, was?
Es soll ja nicht heißen, diese umgängliche Trondheimer Band kenne nicht dieses Wort:
Veränderung. "Blissard" ist so anders als "Timothy's Monster", auch wenn auf den ersten
Blick diese Geisteshaltung dahinter dieselbe scheint. Nicht nur, daß sich auch innerhalb der
Band mit der Verringerung auf eine Gitarre (Morten klinkte sich aus) arbeitstechnisch
einiges getan hat, dieses neue Album verändert den Blick auf Motorpsycho. Reduzierbar
dürfte es sein auf: keine langen, komplex konstruierten Soundkathedralen, keine
feingliedrigen Strukturen - "Blissard" hat Songs. Kurz. Knapp. Dennoch erschöpfend.
Dennoch schön. Da könnte ich doch fast stereotyp hinhämmern: "Wiedermal eine Platte, auf der
eine Band beweist, wann ein Song aufzuhören hat." Stimmt. Eigentlich. Denn Motorpsycho
standen früher für die Fähigkeit, lange , verzögerte Soundschwelgereien anzubieten, denen
man die achtzehnminutenfuffzich nicht anmerken sollte. Echt. Gerade in "Timothy's Monster"
kann man sich ... mal poetisch gesagt ... verlieren. Kein blödes entäußerndes Generve
von alternden Noisebarden, die ich jetzt ellenlang aufführen könnte. Nein, zu echtem
konzertanenEmpfinden verführten die Norweger auf dieser Platte. Und genau dieser Unterschied
zu den kurzen, schlüssigen Songs von "Blissard" macht ihre Soundvorstellung attraktiv.
Aber warum dieser CHANGE? Wo findet man die Gründe?
"Im letzten Jahr sprangen wir in allen möglichen musikalischen Schubladen umher: wir
haben Jazz gemacht und Country augenommen und dann natürlich dieses zeitgenössische Ding ...
das sind alles Erfahrungen, die sich auf Blissard niederschlagen. Im Prinzip ist dieses
Album ein Resultat dieser Erfahrungen."
SNAH hat mal wieder Lust am Erläutern. Motorpsycho ist echt eine von den wenigen Bands,
die du permanent belästigen darfst ... immer eine Antwort ... immer nett ... insbesondere
zu Fanzines. Und das dürfte ihnen auf Dauer zu Präsenz verhelfen. Und aus der Reserve lockt
man die nicht -
PNG: "Eure Entscheidung, Blissard mit kürzeren Songs zu gestalten, könnte man ja auch
in der Hinsicht auffassen, daß ihr Angst habt, daß neue Zuhörer euch zu KOMPLIZIERT finden
könnten ... "
Snah: "Nö, das ist nur die Methode, die wir zum Arbeiten momentan optimal
empfinden."
PNG: "Aber manchmal habe ich auf 'Blissard' das Gefühl, Ihr würdet immer versuchen,
die Struktur "konventionell" angelegter Songs zu zerstören."
Snah: "Ein Song braucht diese Spannung, nicht nur um ihn interessant zu machen,
auch damit es sich lohnt, seine Energien an ihm zu verbrauchen. Allerdings versuchen wir
gerade, viele Melodien, so simpel wie es nur geht zu spielen. Wir halten das für eine
goldene Regel: Simplicity & Clarity!"
Aber gerade diese Melodien sind auf "Blissard" so gelungen. Und das war eben dieser Effekt,
bei dem sich für mein Dafürhalten die Existenzberechtigung einer Scheibe als Popplatte
entscheidet. Immer wieder taucht dieses leidvolle Motiv des ewigwährenden Poptunes auf:
es beginnt, wenn "Sinful, Wind-Borne" vom angedeuteten Psychoschwall in ein griffiges
Leckmich-Stück umschlägt, hin und wieder zerhackt durch kurze, epileptische Gitarrenanfälle -
zieht sich über sehnig-nervige Schönheit bei "Drug Thing", dem entrückt, statementhaften
"Greener", dem schrullig-fluffen BaBaBaaa von "'s Numbness" bis hin zum Fixtrack mit
Bedeutungsschwere:
"The Nerve Tattoo". Ja, sagt mir nichts von "Kompabilität" und all dem Marktsegmentscheiß ...
ich hab am Anfang diesen Track permanent, da CD vorliegend, zurückgeskippt und mich nicht
wieder eingekriegt: Violinenschwelgereien, Hookline, Steigerung bis zum kunstvollen,
aber unkitschigen Ausgang. Love! Was sonst. Aber wir wir wären ja nicht PNG würden wir
hier keine Gefahr sehen ...
PNG: "Dieser Song mit seiner Prägnanz und seiner Eingängigkeit könnte ziemlich Erfolg,
gerade auf der Insel haben. Ich weiß, daß ihr mit denen ein Problem habt ... Ihr
begebt euch auf eine ausgedehntere Tournee dorthin ... Was werdet ihr tun, um die
britischen Musikjournalisten zu ärgern? Und was tut ihr, wenn ihr - nach Auskopplung
und Videodreh zu "The Nerve Tattoo" - nur auf diesen Track reduziert werdet?"
Snah: "Großbritannien wird von unserer Seite keine gesonderte Behandlung widerfahren.
Wir werden dort spielen und sehen was passiert. Ich messe dieser Szene keinerlei
besondere Bedeutung bei. Es ist BLOSS 'just another country' in meinen Augen.
Unberücksichtigt ihrer GEHEGTEN Musikszene."
Da war es wieder das "Britain sucks" von Snah letztes Jahr im Conne Island, Leipzig.
Und irgendwie hatte er mich spitz gemacht auf die Dinge, die da im Laufen waren: GOOD!
BUY BRITISH!-Sticker und so. Der zelebrierte Internationalismus scheint für skandinavische
Bands ein denkwürdiges Merkmal zu sein. Vielleicht ist auch das ein entscheidender Grund,
daß wir so oft dorthin schielen.
Es gibt noch einigen Gossip über Motorpsycho zu berichten. Zum Beispiel, daß "Timothy's
Monster" in Australien ein ziemliches Airplay hatte und die Band hofft, dort mal in nächster
Zeit spielen zu können.
Oder, daß die Band diese "Nostalgic"-Vorwürfe (wegen Soundparallelen etc.) nicht mehr hören
kann und immer wieder betont, "happy we're in the 90's" zu sein.
Oder dieser kunstvolle Text im "Blissard"-Booklet. Geschrieben hat den ein alter Kumpel
aus Chicago: Matt Burt, der auch den Song "True Middle" auf diesem Album und "Plan #1"
auf ihrer Demon Box-2LP geschrieben hat und der jetzt in Trondheim campiert.
Am Bedeutsamsten finde ich allerdings, daß "Blissard" im ehemaligen ABBA-Studio in
Stockholm aufgenommen wurde. Und ich habe doch tatsächlich hier nicht den Raum genutzt,
nachzuweisen, inwiefern es diesbezüglich einen Zusammenhang gibt ... Zumindest ist das
alte Dancing Queen-Piano für die Aufnahmen verwandt worden ...
Erkenntnis: Deswegen ist dieses Album so voller Fluff. (Ich beginne zu verstehen.)
Tom
(1) Neuer Platz 1 auf der Liste der PNG-internen Schimpfwörter, ganz
knapp vor "Stuff".
(2) Mal von schnittigen Promi-Bemerkungen im "Intro" vom März abgesehen,
in denen Popmusic-Koryphäen über andere LPs gnadenlos Urteile fällen. Der Überlach-Hammer.
Kleine Probe bezüglich "Blissard" - Katharina Franck (Rainbirds): "Gefällt mir ganz gut.
Schönes Cover. Dem Sänger möchte man den Hals dann doch bald umdrehen. (3 Pkte)" oder
Ecki Stieg (Radio ffn): "Wenig inspirierter und wenig inspirierender Schrammel-Rock
ohne Verve und eigenen Stil. Seit dem Kauf der frühen SONIC YOUTH-Platten kaum etwas
dazu gelernt. (1,5 Pkte)". Da bleibt kein Auge trocken, was?!