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Man beginnt so langsam, sich
Sorgen zu machen. Schließlich ging zuletzt kaum ein Jahr
ins Land, in dem uns Motorpsycho nicht mit ein bis zwei
Studioalben, ein paar EPs, einem kaum genießbaren
Live-Dokument und ausgiebigen Touren erfreut hätten. Und
was ist jetzt? Nichts. Ausgelaugt fühle man sich vom
vielen Aufnehmen und Touren und wolle eine kleine Pause
einlegen, war da sinngemäß aus dem Lager der Norweger zu
vernehmen.
Aber so richtig besorgt sein muß man dann doch nicht.
Schließlich wird das ausgegehende Jahr mit "In the
fishtank" bereichert, der jüngsten Ausgeburt der
gleichnamigen Reihe. Hierfür brachte das Label
"Konkurrent" bereits in der Vergangenheit immer wieder
mehrere, im wahrsten Wortsinne alternative Bands
zusammen und wartete ab, was passiert. Tortoise mit The
Ex, Low mit Dirty Three oder Sonic Youth mit I.C.P. und
The Ex waren bereits an der Reihe. Jetzt haben sich
Motorpsycho mit ihren norwegischen Landsmännern Jaga
Jazzist Horns zusammengetan. Einem Kollektiv, das auf so
ziemlich alles einbläst, was Löcher hat, nur laut
Booklet auf keinerlei Hörner. Das Resultat: fünf Tracks
in schlanken 46 Minuten, von denen einem der Länge, der
Besetzung und der Songtitel nach eigentlich jeder
einzelne im Halse stecken bleiben müßte.
Die gute Nachricht: "In the fishtank" bringt
zumindest einen Song lang wieder die "alten" Motorpsycho
zurück aufs Parkett. Mit jenem abgrundtiefen Sound, den
die Norweger praktiziert hatten, bevor sie für "Let them
eat cake" den Hippie-Pop für sich entdeckten.
Monumentale Meisterwerke wie "The golden core" und
"Vortex surfer", die eine halbe Ewigkeit dauern und eine
ganze Ewigkeit überdauern, finden in "Pills, powders and
passion plays" eine beinahe ebenbürtige Fortsetzung. Und
Bent Sæther darf sogar singen.
Die wirkliche Symbiose einer psychodelischen Rockband
mit einer irren Jazz-Sektion funktioniert allerdings nur
in manchen Songs. Entweder drängen sich, wie im durchaus
interessanten "Doffen ah um" die Bläser derart in den
Vordergrund, daß Motorpsycho überflüssig werden. Oder
sie zerstören wie in "Theme de Yoyo" einen Song, der im
reinen Motorpsycho-Kontext wohl besser funktionieren
würde. In solchen Momenten würde man am liebsten
übergroße Stoffballen in die Blasinstrumente stopfen.
Neben dem furiosen "Pills, powders and passion plays"
entschädigt aber immerhin noch das zwanzigminütige
"Tristano" für so manche ohrenbetäubenden Mißtöne. Ohne
Gesang, ohne Eile und ohne Konventionen schwurbeln sich
die beiden Bands durchs komplette
Instrumenten-Sammelsurium und klingen dabei wie Tortoise
in ihren abgedrehtesten Momenten. Dann spürt man sie,
diese berühmte Magie, wenn zwei eins werden.
(Armin
Linder) |
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