[media stories: german: 1997] |
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"Space is the place"
( Bent Sæther / Motorpsycho )
Interview with Bent and Snah / article around AADAP Das norwegische Trio Motorpsycho veröffentlicht im März sein siebtes Album "Angels And Daemons At Play" (Stickman / Indigo). Ausschnitte aus einem Gespräch mit den beiden Multiinstrumentalisten und Vokalisten der Band, Bent Sæther und Snah. Wenn nichts mehr geht, dann wird die gezielte Paradoxie zum verläßlichen Helfer: Eklektik ohne Anachronismen, Russ Meyersche Üppigkeit ohne Peinlichkeit, eine Sun Ra-Widmung ohne Anmaßung, Retrospektive als Progression. Die Rockpartisanen von Motorpsycho basteln seit 1991 ("Lobotomizer" LP / CD) ein ba-rockiges (sic!) Mosaik der Stile und Klänge zusammen und das unter geradezu virtuoser Umschiffung all jener Fettnäpfchen, die ihr musikalisches Konzept mit sich bringt. Rock-Weltuntergang verschoben, bleibt zu hoffen, zumal Motorpsycho die Relevanz ihres Schaffens nicht aus einer irgendwie gearteten Kopplung an die Elektronikszene postulieren (wir kennen die Beispiele), sondern die Dynamik als oberstes Strukturelement zum nucleus ihrer Rockphilosophie machen. Dabei berufen sich die Trondheimer (explizit) auf das Organische des Moments in den Soundscapes Coltranes und Sun Ras, rückdatieren den Big Bang des Rock'n'Roll - Authetizität via Augenblick - und das wirkt nicht einmal vermessen. B.S.: "Es geht ja eigentlich nur um diese zwei Sekunden, in denen man weiß, warum man etwas tut. Deshalb kann man sich auch nicht hinsetzen und Coltrane durchanalysieren. Die meisten unserer Stücke existieren nur als Skizzen, um die herum wir dann frei improvisieren. Wir rufen uns auf der Bühne die Akkordprogressionen zu, geben Zeichen, nicken. Man korrespondiert dann besser mit dem jeweiligen Umfeld: Id it's a dutch audience, we'll go psychedelic on 'em. Die Studioarbeit verläuft nach einem ähnlichen Prinzip. Wir spielen kaum ein Stück zweimal auf die gleiche Art und Weise." Nur wenigen Rockbands gelingt es heute noch, derart produktiv mit Freiheitsgraden zu arbeiten, sich Zeit zu nehmen, ohne den Eindruck pathosgeschwängerter Ödnis zu hinterlassen. Mir fallen dazu eigentlich nur Mercury Rev ein (nach Bents Bekunden eine der fünf besten Bands der 90er und, vergleicht man "Angels And Daemons ..." mit Mercury Revs Meisterwerk "See You On The Other Side", offensichtlich mit Motorpsycho seelenverwandt). Motorpsycho exzerpieren ihre Referenzen unter einer "all rights reserved, all wrongs reversed"-Prämisse, die den leidlichen "post this & neo that"-Diskurs nicht wirklich aufkommen läßt, sondern Freiräume öffnet, die, von Kraut- und Metalreminiszensen kurzfristig gesäubert, der visuellen Komponente des Hörens Platz einräumen ("Sideway Spiral I" oder auch "Un Chien d'Espace"). B.S.: "Wir kennen die Rockklischees mittlerweile so gut, daß wir sie, sollten wir sie überhaupt benutzen, verdrehen und ihnen dadurch wieder etwas gutes abgewinnen können: How to make a violent song without becoming pathetic Heavy Metal, d.h., was uns beeinflußt, soll nur in Nuancen erkennbar sein." S.: "So versuchen wir, selbstgesetzte Rahmen zu sprengen." B.S.: "Es ist der gleiche Effekt, den William S. Burroughs verwendet: Keine linearen Entwicklungen, nur Bilder. Erst nach dem Lesen tritt die eigentliche Geschichte hervor - auch die frühen Sachen von Can sind so oder auch Velvet Undergrounds 'Sister Ray', Cage oder Stockhausen. Sie zeichnen Bilder und nach einiger Zeit wird jedes 'bleep' wichtig. Wir arbeiten daran - where we would have screamed in the old days, now we whisper." Ich muß an ein schönes Bild denken, daß mein Freund Konrad Feuerstein ersonnen hat: Sun Ra und Karlheinz Stockhausen beim Nachmittagsplausch am interplanetaren Gartenzaun zwischen Sirius, Saturn und Merkur - und Louis Armstrong als erster Mann auf dem Mond. Space is the place - für die Zaungäste aus Trondheim.
Interview: Marco Maida / Marco Böhlandt
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