Motorpsycho -
Der Tanz auf der Bierflasche
Interview with Snah taken from the
oldest German HC-fanzine
TRUST #46 - June / July 1994.
In German.
Was hat Euer Schlagzeuger denn jetzt wirklich gemacht bei der letzten Tour?
Ihr mußtet ja ein paar Konzerte absagen.
Snah: »Er ist in Berlin in Glas getreten und hat sich ziemlich übel
geschnitten.«
Spielt er immer barfuß?
S: «Ja, aber jetzt wohl nicht mehr. Das war einfach Pech. Er sprang von der Bühne
und direkt auf eine kaputte Bierflasche. Wir mußten 3-4 Auftritte absagen, das
werden wir aber im Mai nachholen.»
Hässliche Scheiben
Die Aufnahmen von der neuen 'Another Ugly E.P.' scheinen von den
unterschiedlichsten Zeitperioden zu stammen. Erzähl mal.
S: «Die Stücke 'Another ugly tune' und 'Summertime Is Here' stammen von
den Sessions zur 'Demon Box'-Platte aus dem Sommer '92. Wir hatten
damals keinen Platz mehr auf der Platte, also mußten sie ein wenig warten.
Die neuen Stücke sind 'She Used To Be A Twin', das haben wir im Januar '94
aufgenommen, außerdem die KISS-Coverversion und 'Blueberry Daydream' ist
einer unserer ältesten Songs vom ersten Demo '90, den wir jetzt nochmal
neu aufgenommen haben. Damals gab es davon nämlich nur 100 Stück und wir
dachten, der Song sollte mehr Leuten zugänglich gemacht werden.»
Stimmt die Story, daß Larry "Lux" Llydwlin, der 'Summertime Is Here'
geschrieben hat, Großonkel von einem von Euch ist?
S: «Unser Schlagzeuger Gebhardt ist irgendwie mit ihm über seine Mutter
verwandt, jedenfalls machte er in Norwegen Urlaub und wir schleppten
ihn ins Studio.»
Woher kenn ich das Stück bloß?
S: «Es ist ein alter belgisch-holländischer Hit aus den frühen 70ern, kein
großer Hit, aber immerhin.»
Der nicht aufgeführte 6. Song, dieses Live-Stück, ist das KISS oder
wer ist das?
S: «Es ist eine alte MOTÖRHEAD-Live-Nummer aus Deutschland, nee, quatsch,
wir hatten so eine Zeit, in der wir keine rechten Songideeen hatten und
da spielten wir nur MOTÖRHEAD-Nummern im Proberaum. Jedenfalls kamen wir
so zu diesem Misch-Masch. Wir haben es besser angegeben, es heißt
'Motörhead Mama' und ist ein Gruß an Lemmy's Mutter.»
Und wo kommen dann die ganzen schreienden Fans her, bei Euch im Proberaum
paßen die doch gar nicht rein?
S: «Äähh,...ja,...ich weiß auch nicht so recht.»
Wieso habt ihr die beiden E.P.'s nicht gleich als volles Album veröffentlicht?
S: «Das wäre kein zusammenhängendes Werk gewesen. Wir bringen aber im Herbst ein
neues Album raus. Es ist bald fertig aufgenommen, wir haben massig geschrieben.»
Lang, Länger, am Längsten
Wird das wieder so ein Mammutwerk mit 75 Minuten Spielzeit?
S: «Klar, schätzungsweise wieder ein Doppelalbum. Wenn wir den richtigen Deal haben,
sollte es sogar eine Doppel-CD werden, denn die volle Länge beträgt gute
100 Minuten.»
Uff, sind dann auch wieder so 15-Minuten-Stücke dabei?
S: «Ja, doch, ein paar längere Songs werden schon dabei sein.»
Und Eure Plattenfirma hat da keine Einwände?
S: «Keine Ahnung, wir schauen uns aber momentan auch nach anderen Labels um,
unser Vertrag ist nämlich ausgelaufen und mal schauen was passiert.»
Wie kamt ihr eigentlich zu 'Voices of Wonder', sind das Freunde von Euch
oder ist es das einzige Label für solche Musik in Norwegen?
S: «Es ist das einzige gute Label in diesem Genre, wir wissen aber noch
nicht, ob wir einen neuen Vertrag bei Ihnen unterschreiben.»
Low-Fi / No-Fi
Was hat es mit Euren Low-Fi/No-Fi-Produktionen auf sich, ist das
wirklich alles so weit weg von neuer Technologie?
S: «Wir nehmen unsere Platten ganz einfach ohne dieses ganze technologische
'Know-how' auf, suchen uns möglichst obskures Equipment zusammen und
versuchen gute Sounds daraus zu entwickeln. Diese ganzen ausgebildeten
Produzenten und Engineerer in Norwegen meinen, unsere Platten würden stinken,
weil sie in ihren Ohren nicht gut klingen. Uns gefällt es aber, so wie es ist.»
Ihr habt auch noch nie mit einem Produzenten gearbeitet, oder?
S: «Nein, und ich wüßte auch nicht, warum wir das sollten.»
Habt ihr denn ein eigenes Studio?
S: «Nein, wir benutzen ein Studio in Trondheim namens Brygga. Da nehmen
auch die anderen Bands aus Trondheim, wie FUNNY FARM oder ISRAELVIS etc., auf.»
Das Leiden der jungen Musiker
Wart ihr denn mal in England oder den Staaten auf Tour?
S: «Leider noch nicht. In England ist es schwer, alleine zu touren, die
Leute sind da sehr schwer für ausländische Bands zu begeistern. Vielleicht
tut sich aber was als Support, das wäre besser.»
Wo ist denn Euer Markt? Norwegen, Finnland, Schweden, Deutschland....?
S: «Nicht Finnland und auch nicht Schweden. Diese beiden Länder sind vollkommen
tot. Wir haben außerhalb Norwegens in Dänemark, Deutschland, Holland, der
Schweiz und Italien gespielt. Die nächste Tour wird auch wieder dahin gehen.»
Wie sieht es denn in Norwegen mit der Infrastruktur aus, ist es überhaupt
möglich, dort mit Musik größer zu werden?
S: «Sehr schwer. Wir haben hier nicht so besonders viel Fans und verkaufen auch nicht
so außergewöhnlich viele Platten. Das Land ist eben auch sehr klein mit 4 Millionen
Einwohnern. Dafür kriegen wir sehr gute Presse und haben letztens sogar den
norwegischen Grammy hier bekommen. Das war hier eine große Sache, was nicht viel zu
heißen hat. Es gab halt ein Bankett und das Fernsehen war anwesend.»
Das erste Mal im Fernsehen?
S: «Nein, wir hatten hier schon ein paar Videos.»
Die Sache mit der Musik
Was sagen eigentlich die sogenannten Hardcore-Fans zu den folkigen oder
psychedelischen Sachen, gab es da schon Probleme?
S: «Eigentlich nicht, wir spielen halt mit vielen verschiedenen Stilen, das
hat uns noch keine Ablehnung eingehandelt. Ich sehe darin jedenfalls kein
Problem, im Gegenteil.»
Die bisher erschienenen Coverversionen stammen alle aus den 70ern. Ist
das Euer dominanter Bezugspunkt?
S: «Ja, wir stehen schwer auf die Musik der 60er und 70er Jahre. Ich habe
früher z.B. total viel DEEP PURPLE gehört, andererseits finde ich den
Gitarristen von RAGE AGAINST THE MACHINE großartig. Dann wieder mag ich
SNAKEFINGER, kennst Du die?»
Ich habe gerade die 'Vestal Virgins'-CD vor mir liegen.
S: «Oh, die ist großartig.»
Das geht ja vollkommen drunter und drüber...
S: «Ja, oder Robert Fripp, er ist ein hervorragender Gitarrist, manchmal
vielleicht etwas zu abgehoben, dann gefällt er mir nicht mehr so.»
Nochmal lang
In Köln habt ihr auf der POPKomm eine ultralange Version von 'Demon Box'
gespielt, bestimmt 30-40 Minuten. Was war denn bisher die längste Version?
S: «Es existiert so viel ich weiß ein Bootleg-Tape von einem Auftritt in Rom
mit einer knapp einstündigen Version von 'Demon Box', allerdings sind darin
auch andere Songs eingebaut.»
Und was sagen die Club-Besitzer, wenn ihr mal eben eine einstündige Zugabe
dranhängt?
S: «Bisher hat sich noch keiner beschwert, normalerweise mögen die Leute
sowas.»
Was hört der Mensch?
Gibt es denn schon sowas wie eine Hitsingle in Norwegen?
S: «Keine Hitsingle, nein, dazu haben wir wohl kein Hitpotential.»
Was ist mit 'Nothing to say' (von 'Demon Box'), das wäre doch was gewesen?
S: «Ja, mit dem Song sind wir bisher auch am öftesten im Radio gespielt
worden.»
Wie sieht es bei Euch mit Hip-Hop oder sonstiger Tanzmusik aus?
S: «Damit habe ich ehrlich gesagt wenig zu tun. Momentan höre ich allerdings
ganz gerne 'Ambient/House'-Musik, das ist ganz interessant.»
Nenn mir doch mal ein paar Deiner Lieblingsplatten der 90er?
S: «Oh weh. Ha, ich hab eins: ALBINO SLUG, eine norwegische Band, die beste Platte
der 90er in Norwegen, ist auf 'Voices of Wonder' erschienen. Außerdem mag ich
die letzte HENRY ROLLINS-Platte besonders. Momentan höre ich allerdings am meisten
KING CRIMSON.»
Habt ihr alle so einen unterschiedlichen Geschmack?
S: «Ja, unser Schlagzeuger steht momentan total auf Banjo-Musik, er ist ein echter
Bluegrass-Fan. Zeitweise hört man sein Banjo auch auf unseren Platten.»
Sieht ganz so aus, als könntet ihr alle mit unterschiedlichen Instrumenten
umgehen?
S: «Ja, Bent hat sich jetzt z.B. gerade eine Steel-Guitar gekauft.»
Und Euer Mann am Sampler und Keyboard?
S: «Der kauft sich immer neue Sampler-Maschines und THROBBING GRISTLE-Alben.»
Markus Naegele
The same interview was also released - in a different layout - in the German fanzine
NO TREND the same year
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