[media stories: german: 1993] |
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Es wäre eine Beleidigung, uns eine Grunge-Band zu nennen.
Interview with Bent taken from the
Motorpsycho
Mensch gucken die böse auf dem Photo. Und machen doch so nette Musik. Sänger Burt [sic!] ist nicht nur ein sehr aufgeschlossener Gesprächspartner, er und seine Jungens haben es außerdem geschafft, bei mir mal wieder richtig tiefe Emotionen, so ein packendes Schaudern und Kopfzucken durch einfache heavy Rockmusik hervorzurufen. Nach der Flut an dünner Suppe unter dem Decknamen "Grunge" und "Alternative Rock", wegen der ich für mich schon ausgemacht habe, daß eine verzerrte E-Gitarre das schlimmste Instrument des Universums ist (ist es ja eigentlich auch wirklich, siehe Ted Nugent und Gleichgesinnte) und US-Underground tausendmal grauenhafter als eine Woche lang pausenlos MTV gucken - nach all dem kommt ausgerechnet von einer norwegischen Band diese Platte namens "Demon Box" in meinen Briefkastenschlitz geplumpst und versöhnt mich im Nu wieder mit der guten alten Heavy-Schule. Kommt dazu, daß MOTORPSYCHO keine ausgesprochen hart rockende Band sind, sondern daß sie von Stück zu Stück Tempo und Stimmung wechseln, daß sich "Demon Box" fast wie ein Sampler anhört...vom Folksong mit Geige zum Gerocke im Stil früher SOUNDGARDEN, von einer Akustik-Ballade zu Punk, von einer MOONDOG-Coverversion zu düster psychedelischen Klängen mit IGGY POP-Einschlag (ja alles nicht neu, aber gut gemacht) - und dabei auf den ganz harten, metallischen Songs mindestens so fettig wie MUDHONEY mit ihrer "Superfuzz Bigmuff"... Geröhre also, bei dem keine Sekunde lang der Eindruck aufkommt, es wäre in irgendeiner Form trendig abgekupfert. Was MUDHONEY damals auch nicht waren. Musik, die ihren eigenen Gesetzen folgt, in sich selber ruht (und deshalb stößt auch jeder Song in ein anderes Genre vor) und die daher selbst in Songs, die man für "Grunge" halten könnte, stürmischer und wechselhafter ist als alle neuen Veröffentlichungen aus dem Stadtbereich Seattle. Burt: "Es wäre eine Beleidigung, uns eine Grunge Band zu nennen. Es gibt natürlich einige Songs, die sehr danach klingen - harter Rock eben. Aber diese Art von Rockmusik gibt es schon lange vor Grunge. Im Gegensatz zu den meisten Seattle-Bands, entwickeln wir den Sound und den Typ von Musik für ein Stück immer abhängig von dem Song, der da entstehen soll. Für uns sind gute Songs entscheidend, deshalb all unsere Stilbrüche, nicht ein bestimmter Sound und ein bestimmtes Genre. Wenn du Dir den Grunge-Boom in Amerika ansiehst, hörst du ja selber, daß da momentan der letzte Scheißdreck ausgeschlachtet wird. Keine Ideen mehr, nur noch die Jagd nach einem ganz bestimmten, langweiligen Stil. Aber es ist ja immer so, daß die Major-Label erst auf einen Stil springen, wenn er längst ausgepowert ist. Das, was die Majors heute als "Alternative Rock" rausbringen, interessiert kein Schwein mehr. Klar es hat einmal eine lebendige Szene in Seattle gegeben, aber das war vor Jahren. Leider ist es immer so, daß träge Säcke in den Major-Büros bestimmen, welche Bands einen Vertrag bekommen. Träge Säcke, die einen Trend erst dann bemerken, wenn längst nichts mehr davon übrig ist. Deswegen findest du die besten Veröffentlichungen immer noch auf kleinen Plattenlabels."
ZAP: Es gibt keinen typischen MOTORPSYCHO-Stil, denn jeder Song von Euch
klingt anders. Ist es Euer Konzept, die Leute zu irritieren, um sie damit an ihren
eigenen musikalischen Grenzen zweifeln zu lassen?
ZAP: Interessant auch, daß ihr auf "Demon Box" eine Coverversion von MOONDOG habt
("All Is Loneliness")...
ZAP: Ist Eure Musik auch live so voller Kontraste wie auf Platte?
ZAP: Gibt es für Euch Möglichkeiten, in Norwegen aufzutreten, im eigenen Land
bekannt zu werden?
ZAP: Also ist es auch unmöglich, von einer typischen Rockmusik aus Norwegen
zu sprechen?
ZAP: Welche Instrumente und welche Stimmung ihr für ein Stück verwendet,
sagst Du, hängt ganz vom Song ab. Das bedeutet also...
ZAP: Du hast betont, daß die Reihenfolge auf der LP eine andere ist als auf der CD.
Hat das einen Grund? "Weißt du", sagt Burt im Laufe des Interviews und benutzt damit einen Standartsatz denen man von allen Musikern hört, denen Politik am Hut vorbei geht: "Wir wollen nicht predigen. Die DEAD KENNEDYS sind funny, ich mag das wirklich, was sie machen, aber ich möchte nicht irgendwie eine Autorität gegenüber dem Publikum spielen. Unsere Texte und unsere Musik sind voller Emotionen, verschiedenste Emotionen - das ist, denke ich, auch eine Kraft, die Menschen beeinflußt. Wer bereit ist, eine Band wie uns zu akzeptieren, wer uns mag, gerade weil wir auf jedem Stück anders klingen, eine andere Stimmung verbreiten, ist auch offen genug, sich nicht politisch verführen zu lassen." Ich weiß nicht, wie oft ich schon dieses Argument von Bands gehört habe, so als müßten Musiker wie Ärzte auf diese Floskel einen Eid schwören ... aber es gibt Fälle (wie zum Beispiel MOTORPSYCHO), bei denen dieses Argument sogar schlüssig klingt. Wenn eine blasse Gitarrenrock-Band aus dem amerikanischen Collegeumfeld erzählt, ihre "emotions" könnten "politics" ersetzen, dann ist das mehr als fragwürdig - deren Musik ist oft so unverbindlich "easy", daß sich auch eine rechte Arschbacke damit keine Probleme macht. Lebendige Beispiele gibt es im Fall BAD RELIGION, LEMONHEADS und DINOSAUR, soll heißen: Ich weiß von durchaus strunzdummen rechten Gesellen, die sich problemlos deren Musik anhören. Anderes Paradebeispiel: Eine Doppel-CD "Best of Underground" mit Bands wie NIRVANA, HENRY ROLLINS, MINISTRY, R.E.M., DINOSAUR und LEMONHEADS (krasse Mischung) als derzeitiger Verkaufs-Highlight im durch und durch konservativen, CDU/CSU-bestimmten BERTELSMANN BUCH-CLUB. Sicher würde der ein oder andere Song von MOTORPSYCHO auch auf das "Liberale Spektrum der Jungen Union"-Publikum abzielenden Sampler passen, doch "Demon Box", die Platte als Ganzes, lebt von den wenig verkäuflichen Kontrasten. MOTOR- PSYCHO sind absolut unpolitische Rocker, die durch ihre Vielseitigkeit dennoch dazu beitragen, ein Stück (Musik-)Politik zu machen: "Wer in Rastern denkt", sagt Burt, "ist leicht verführbar. Musikalische Intoleranz sagt sehr viel darüber aus, wie Menschen sich in Grenzsituationen verhalten. Wenn jemand von sich glaubt, das Wahre gefunden zu haben, sei es auch nur in der Musik, zeigt er, daß er gegenüber Ideologien verführbar ist. Das Schlimmste, was man uns nachsagen könnte." Martin Büsser
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