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Motorpsycho - 1996
Motorpsycho

Article / Interview with Bent around the 'Blissard'-release
taken from the
German gothic magazine
ZILLO #2 / February 1996.
German.


Nachdem ich mich letztes Jahr in "Timothy's Monster" verliebt hatte, war das neue Motorpsycho-Album etwas, auf das selbst eine professionelle, sich nicht über Ebbe im Plattenregal beklagen könnende Musik-Verdauungs-Maschine mal wieder sehnsüchtig warten durfte. Jetzt ist das Objekt der Begierde da, heißt "Blissard" und enttäuscht nicht ein bißchen. Aber was will man von der feinsten Band Norwegens, deren erkennbare Einflüsse von Pavement und Sonic Youth bis zu The Cure und Led Zeppelin reichen, auch anderes erwarten als ein vielschichtiges, intensiv-melodisches und rauh-persönliches Album, wie es auf diesem Planeten nur Motorpsycho zustandebringen?

Ihre stlistische Bandbreite bietet noch immer alles zwischen Feedback-Orgien und akustischer Gitarre, zwischen Pink Floyd-Psychedelik und New Order-Gitarren-Pop, zwischen Hüsker Dü-Biß und Sebadoh-Zerbrechlichkeit., und dabei zieht sich ein roter Faden aus brennender Emotionalität durch "Blissard", dem das fünfte Album der Band aus Trondheim seine hochgradig süchtig machende Geschlossenheit verdankt.

Und das schönste daran ist, dass Motorpsycho trotz all der o.g. Vergleiche nach wie vor oihre ganz unverwechselbare Handschrift haben, auch wenn sie neuerdings schneller und präziser auf den Punkt kommen: Die durchschnittliche Songlänge hat sich bei fünf Minuten eingependelt, während sonst 16-Minuten-Wälzer durchaus nichts Ungewöhnliches waren, und "Blissard" ist weder Doppel-LP wie "Demon Box" noch gar Doppel-CD / Trippel-LP wie "Timothy's Monster", sondern hat, wie ganz normale andere Alben auch, einfach zehn Titel.

"Es war eine echte Herausforderung für uns, das zu versuchen", erzählt Bent Saether, Sänger, Bassist und Haupt-Songlieferant von Motorpsycho. "Wir hatten uns ja bisher nie bewußt vorgenommen, ein Album mit normaler Länge aufzunehmen, sondern entweder lange Alben gemacht oder EPs als anderes Extrem. Dieses Mal bemühten wir uns also, die Songs so kompakt und intensiv wie möglich hinzubekommen. Wir fingen an zu kürzen und schauten, ob die Songs immer noch funktionierten - und fanden sie taten es.
Außerdem hatten wir, als wir die Songs aufnahmen, schon die Reihenfolge im Kopf, in der sie jetzt auf dem Album zu hören sind. Dadurch konnten wir viel mehr auf Details bei den Übergängen zwischen den Songs achten als früher. 'Blissard' klingt für mich auch viel mehr nach einem Album als nach einer Kollektion von Songs, wie es bei unseren früheren Veröffentlichungen der Fall gewesen ist, weil die Stücke diesmal mehr als sonst in eine Richtung gehen, stilistisch und stimmungsmäßig gesehen."

Eine weniger melancholische Stimmung als auf "Timothy's Monster"?
"Weiß ich gar nicht mal. Die Platte fängt zwar leichter, poppiger und heller an, aber am Ende, das mein Lieblingspart des Albums ist, die letzten vier, fünf Songs, da wird es doch ziemlich finster. Bisher haben all unsere Alben mit einem großen Knall aufgehört, während es diesmal ganz sacht ausklingt. Es ist kein befriedigendes Ende, anstatt groß Bumm zu machen, läßt es dich eher in der Luft hängen. Dieses Feeling finde ich schon sehr melancholisch. Aber ich kann das wohl nicht so gut beurteilen, weil mir logischerweise die nötige Distanz dazu fehlt."

Ist "Blissard" der Versuch, sechs Jahre nach der Bandgründung schließlich das perfekte Motorpsycho-Album zu machen? Vielleicht sogar in kommerzieller Hinsicht? Immerhin wurde diesmal für zwei Wochen das renommierte (und teure) Stockholmer Atlantis-Studio angemietet.
"Wir versuchen jedes Mal, das perfekte Album zu machen. Allerdings nicht in dem Sinne, daß wir uns hinsetzen und uns bemühen, Hitsingles zu schreiben. Das Wichtigste ist für uns, daß wir uns nicht wiederholen. Unser Ideal vom Musikmachen ist, daß man spielen muß, was man fühlt. Deine Musik muß wiederspiegeln, was in deinem Kopf abläuft. Wir verändern uns als Menschen, und damit sollte sich dann auch die Musik verändern.
Was wir bis jetzt gemacht haben, war zum jeweiligen Zeitpunkt in diesem Sinne immer perfekt. Motorpsycho ist eine ständig im Fluß befindliche Geschichte. Es sind von außen wahrscheinlich so aus, als würde sich dauernd die Besetzung ändern. als würden wir ständig die musikalische Richtung wechseln - wir spielen sogar nie das gleiche Live-Programm zweimal. Die ultimative Herausforderung ist, uns jedes Mal, jeden Abend als Band quasi neu zu erschaffen. Ich denke, viele Leute können diese Haltung verwirrend finden, weil es nicht unbedingt typisch für eine Rockband ist, aber das ist es, was die Sache lebendig macht: Es ist eben nicht statisch. Wir könnten vielleicht mehr Platten verkaufen, wenn wir nicht so drauf wären, aber letzten Endes ist kommerzieller Erfolg weniger wichtig als wirklich zufrieden zu sein mit dem, was man macht."

Die sich ständig ändernde Besetzung von Motorpsycho besteht z. Zt. aus Bent, Snah Ryan an der Gitarre und Hakon Gebhardt am Schlagzeug. Dieses Trio stellt allerdings schon seit dem zweiten Album "8 Soothing Songs For Ruth" (1992, damals teilweise noch herbes Hardcore-Gehacke; so viel zu den wechselnden Stilrichtungen) die Rumpfbesetzung. Nach dem Ausstieg von Morten Fagervik, der bei den Aufnahmen zu "Blissard" noch für zweite Gitarre und Samples zuständig war, üben die drei jetzt fleißig, diesen Verlust mit diversen Fußpedalen zu kompensieren, denn die feinste Band Norwegens kommt voraussichtlich im April / Mai auf Europatour und damit auch nach Deutschland.

Eine konzertübersättigte Musik-Verdauungs-Maschine wartet mal wieder sehnsüchtig. Wir sehen uns.

Manfred Upnmoor