home

  [record reviews: let them eat cake]




Motorpsycho:
Let Them Eat Cake

Review of Let Them Eat Cake taken from the
German magazine
INTRO #71 / February 2000.
German.


Motorpsycho
»Let Them Eat Cake«
(Stickman / Indigo)

Gebhardt weiß genau, was er will. Wenn ihm der Kopf danach steht, nimmt er sich sein Banjo und fährt auf ein Folklore-Festival, betrinkt sich über Gebühr und spielt immer noch alle anderen an die Wand. Das ist nicht schwer, denn alle Stücke beginnen auf C und können von dort nur auf zwei andere Akkorde wechseln, G oder D. Ich habe in der Vergangenheit viel zu wenig über den Schlagzeuger von Motorpsycho erfahren ... 'Let Them Eat Cake' ist kurz, für Motorpsycho-Verhältnisse, gerade mal 45 Minuten. Und es ist eines dieser abgeschlossenen Alben, die sich anschicken, an den Pforten der (neuen) Jahrhundertalben des Rock oder - in diesem Fall - Pop anzuklopfen. Im Stile von 'Blissard' oder 'Timothy's Monster' (CD1) schlängelt es sich elegant in Popformaten über lange zugewachsene Pfade, die in die späten 60er zurückführen. Was einem immer wieder auffällt, ist die Tatsache, daß Motorpsycho ihren Retrogedanken nie in Kitsch abdriften lassen, da, wo es andere Bands nicht vermeiden können. Das Streicherensemble in 'The Other Fool' klingt nicht gewollt, sondern gehört da hin. Snahs Niedlichkeit 'Upstairs Downstairs' gemahnt in ihrer 'leichten Schwere' an Nick Drakes Erstling 'Five Leaves Left'. Tatsächlich hat auf 'Let Them Eat Cake' Gebhardt ein von ihm geschriebenes Stück auch erstmals selbst gesungen ('Never Let You Out'), und '30/30' liefert den obligatorischen epischen Abschluß. Entdeckungsgehalt gibt's genug, denn 'Let Them Eat Cake' ergießt tonnenweise Süßigkeit (wohlgemerkt: nicht Schmalz) und läßt den fehlenden Rock trotzdem nicht vermissen. Zudem die Möglichkeit, sich wieder neu von Seelentröstern gefangennehmen zu lassen ... Schön, daß sie nicht 'ins neue Jahrtausend durchstarten'.

Carsten Sandkämper