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  [record reviews: it's a love cult]



Die Liebe zum Zitat
Motorpsycho variieren die Spielarten des Progressive Rock

Review of It's a Love Cult taken from the
online version of German tv channel
3SAT, 2002-09-30.
In German. Found at the 3sat online site by Kristoffer.


Rating: 4 out of 5 It's a Love Cult
von Motorpsycho
Stickman / Indigo, 2002
ASIN B00006J46U
€ 16,99

Motorpsycho - «It's a Love Cult» - cover - front
 

Eins ist sicher bei Motorpsycho: Auf jeder Platte versuchen die Norweger anders zu klingen als auf den Vorgängeralben. Vor ein paar Jahren noch berühmt für ihre Noisekaskaden, verfeinerten Motorpsycho bereits 1997 auf "Trust Us" ihren Sound und begaben sich auf die Suche nach der Melodie. Und noch mal zwei Jahre später auf "Let them eat cake" präsentierte sich eine Band, deren oberstes Ziel nun Harmonie und Frieden zu sein schien – so angenehm setzten sich Songs wie "The other Fool" im Gehörgang fest. Motorpsycho wurde für eine kurze Zeit sogar als Pop-Band gehandelt.

Die Überraschung kam letztes Jahr mit der Platte "Phanerothyme", ihrem bislang besten Album. Hier versuchten die Musiker, den 70er Jahre Westcoast-Sound von Bands wie The Eagles haargenau nachzubilden und eine Retro-Einheit von Sound, Text und Musik zu schaffen. Der hervorstechende Song "Go To California" mit seinem mehrstimmigen Gesang und den einschmeichelnden Beach Boys-Harmonien ist das beste Beispiel für die Rekonstruktionskunst, die Motorpsycho auf diesem Album betrieben.

Nachbildungen aus dem Pop-Elfenbeinturm

Und nun also schon wieder ein Album. Bereits auf den Festival-Konzerten im August zeigte die Band, dass es wieder laut werden würde. Aber kehren sie tatsächlich zu den Lärmorgien früherer Tage zurück? Nicht wirklich. Motorpsycho verstecken sich erneut in ihren postmodernen Pop-Elfenbeinturm, bemühen sich immer mehr um Zitate und Nachbildungen, als um einen eigenen Sound.

Die Musik auf "It's a love cult" zelebriert Zeitlosigkeit. Wie schon "Phanerothyme" legt Motorspsycho ein ununterscheidbares Abziehbild der 70er Jahre hin, fernab von jedem Retro-Witz, wie ihn beispielsweise das Schlager-Revival für sich beanspruchte. Es ist eher die Ernsthaftigkeit einer detailgetreuen Nachbildung, eine Suche nach Perfektion bis in die kleinste Nuance und die fast kindliche Freude über das Gelingen des Experiments.

Motorpsycho sind mittlerweile bei King Crimson und Van der Graaf Generator angekommen. Sie variieren deren brutale Variante des Progressive Rock. Bereits der Opener heißt "Überwagner or a Billion Bubbles in my Mind" und kommt mit brachialem, aber bis ins Detail durchkomponierten Lärm daher. Die Single "Serpentine" ist eines jener süßlichen, nostalgischen von 70er Jahre Harmonien durchtränkten Singer/Songwriter-Stücke, die trotz aller Verlockung vollends unironisch sind.

"It's a love cult" bietet ein weiteres Mal alles, über das man sich bei einem Motorpsycho-Album freuen kann: Zehn phantastische Kleinode, gewidmet der Geschichte der populären Musik, Kapitel fünf: Progressive Rock.

Sascha Seiler