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  [record reviews: it's a love cult]



MOTORPSYCHO
Im Rausch des Liebeskults

Review of It's a Love Cult taken from the
magazine of Stickman records' distributor
INDIGO NOTES #91 / November - December 2002.
In German. Transcribed by KissHerMind.


Motorpsycho
It's a Love Cult
Stickman / Indigo  LP / CD

Motorpsycho die immer unberechenbare Band aus Trondheim lebt offensichtlich in Zyklen. Nämlich in den work-o-holischen Zyklen ihrer regelmäßigen Alben-und Singles-Veröffentlichungen.

Da glich & gleichts nichts dem anderen, stets verstanden es MOTORPSYCHO, in diesem vielfältigen Zyklen durch unterschiedlichste musikalische Klanguniversen zu surfen, neue, rare historisch-musikalische Anknüpfungspunkte zu finden und diese in their very own Motorpsycho style zu extrahieren, stets mit dem Resultat atemberaubender Musik. Immer wenn man glaubte, mit dem jeweils letzten Album hätten Motorpsycho nun endgültig ihre musikalische Fahrtroute fixiert, wurde man eines Besseren belehrt. Ihr brandneues Album "It's a love cult" zementiert einmal mehr diese These, denn hier finden sich wunderbar bunt changierende Klangkunstwerke, wie die Perlen auf dem Collier, das in seiner Schönheit faszinierend die Erhabenheit und Geschlossenheit eines Konzeptalbums aufweist. Die in mannigfaltigen musikalischen Farbtönen schillernden Songperlen, einzeln gehört, entfalten jedoch ein jeweils individuell schimmerndes und oft geheimnissvoll-rauschhaftes Eigenleben im neu (wieder-)erfundenen Weg. Der Kollege der "Spex" assoziierte die Songs von "It's a love cult" mit einer Achterbahnfahrt durch eine nichtendenwollende Plattensammlung. Und da hat er natürlich recht. Denn Motorpsycho zitieren liebevoll unterschiedliche musikalische Epochen und einmal mehr schmecken diese Album-Perlen, in Brausewürfel verwandelt, alle unterschiedlich aromatisch und doch gleich verheißungsvoll süß. Schon die "Serpentine"-Single mit ihren Non-Album-Tracks (!!) dieser Motorpsycho-Produktionsphase ließ das Herz höher schlagen. "It's a love cult" weiß die hochgestellten Erwartung mehr als zu erfüllen. Wie stets haben sie sich neu erfunden, entfernt meint der Rezipient eine Synthese aus älteren Werken wie "Trust us" und jüngeren wie z.B. "Phanerothyme" zu entdecken.Dies sei dahingestellt, denn hier fährt ein leuchtender musikalischer Zug durch zerklüftete Psychedelic-Alternative-Pop-Klanglandschaften.

"Überwagner or a million bubbles in my mind" (Was für ein Titel!) läutet das Album ein, kommt tatsächlich mit hämmernder Wagnerschwere durchs (Progressiv-) Acid-Bad gezogen – ein knallender Stomper mit Streicherwänden, explodierenden Gitarren, wilden Breaks und weirder Drug-Attitüde, Chorkaskaden über schmeichelnden Gesang, rasiermesserscharf in Szene gesetzt. "Circles" beginnt mit zart-magischen Akustikklängen, mit schwebenden Harmonikas und Mellotronsounds, wie die Pretty Things in der "Parachute / S.F. Sorrow"-Psychedelic-Phase, um in etwa die Baustelle zu markieren, ein süß-bitterer Rausch. "Neverland" heisst das heftig zur Psycho-Brett-Sache gehende 60er Songmonster auf der Überholspur – angereichert mit drogengeschwängerten Weirdo-Gitarrenriffs, flirrenden Orgeln und "Uh Uh"-Chören, yeah, yeah – come to "Neverland"!!! "The otherness" (sic!) wiederum, mit Mystik-Intro und jazzy Flow, vereinigt berührende Gesangshooks mit ausuferndem Hoffmannsche Säure-Riffing und unterschwellig-cool groovenden Latin Flair. Als träfe Van Dyke Parks in der Zeit / Raum-Falle auf die Pink Floyd der Syd Barret-Ära und ganz frühe Santana. "Carousel" trägt den Namen zu recht, zarte, filigrane Akustikgitarren in Mellotron-Streicherbetten läuten die Fahrt ein, das Karussell beginnt sich zu drehen, eine herrlich melancholsiche Fahrt beginnt. Led Zeps "Kashmir" nimmt ein zitathaftes und orgiastisches Streicher-Arrangement- Eigenleben ein, brausende Riffs bolzen Höchstgeschwindigkeit, dann ist die Fahrt zu Ende und das leuchtende Trip-Karussell dreht langsam aus – aussteigen bitte. Und hinein ins "What if...": Burt Bacharach-Moods grooven heftig auf flirrenden Orgeln und Slides tanzen den Beat über zickige, hookstarke Brasseinlagen – der Soundtrack eines Films, den Richard Lester nie gedreht hat. "The mirror & the lie" ist ausufernde, schwellende Psychodelia, zart und filigran instrumentiert mit Akustik-Bass und -Gitarre über schwebenden Prog- Orgelteppich mit "Nursery crime"-Atmosphären, Kammerorchester und indischen Flöten über anschwellenden Riffwellen und Ampflirren. "Serpentine", ja schon von der Single bekannt, ist der klassiche "Earcatcher". Vom ersten Hören an bohrt er sich in die Synapsen, als hätten Belle & Sebastian eine Testosteron-Kur hinter sich. Motorpsycho rocken ebenso und erheben so jedes Zitat in den Adelsstand. Mit verzerrten Bassriffing folgt "Custer's last stand (One more daemon)", da sieht man förmlich die von Häupling Sitting Bulls Männern abgestraften Yankees neben ihrem irren General Custer (der bis zuletzt an seine Unbesiegbarkeit glaubte) in ihren Blute liegend vor sich – ein mächtig groovender Stooges-mäßiger Track mit dunklen Acid-Stimmungen, heftig zur Sache gehend. "Composite head" versetzt den Beatles-Zitat-"Doctor Robert" in ein vollorchestriertes Heavy-Breitwand-Universum wie es nur von Motorpsycho erschaffen werden kann und bildet den krönenden Abschluss eines großen Albums. "It's a love cult" ist beileibe kein Werk, das sich beim ersten Hördurchgang gleich erschließt. Hier gibt es nach dem x-ten Durchlauf noch Neues zu entdecken, denn in dieses zeitlose Alternativ-Gegenuniversum aus musikalischer filigraner Dichte, songschreiberischer Finesse und komplexen Arrangements, das Motorpsycho uns hier kredenzen, taucht man immer wieder gerne ein – hinein in die rauschhafte Welt des Liebeskults!

Jmm