home

  [record reviews: serpentine e.p.]



Durch wilde Klang-Serpentinen


Review of the Serpentine E.P. taken from the
German magazine of Stickman's distributor
INDIGO NOTES #90 / 10-2002.
In German. Transcribed by KissHerMind.


Motorpsycho "Serpentine"
Stickman / Indigo  LP / CD 1690-!

Motorpsycho sind zurück! Die norwegische Ausnahmeband aus Trondheim gilt nicht nur in Fachkreisen als absoluter Innovator eines sogenannten "Independentsounds", als unabhängig bezeichnen lässt sich auch ihr bisheriger Output. Von der Produktion bis zur Covergestaltung und Vermarktung ihrer Klänge haben Motorpsycho (benannt nach einem meiner Lieblings-Russ Meyer-Filme) stets, eigene dezidierte Vorstellungen, ihr üppiges Oevre entstand & entsteht in absoluter Eigenregie und wenn die Band sich stilistisch verändern wollte, tat sie dies ohne Rücksicht auf "kommerzielle Vorbehalte". Ihre Wandlung von der eher heftigen Gitarrenband hin zu filigraner, multiinstrumentaler, ätherischer Popmusik wußte (nicht nur in Kritikerkreisen) allgemein zu gefallen. Mittlerweile gibt es roundabout zwölf Alben und diverse EPs der Ausnahmeformation und mit der vorliegenden EP "Serpentine" kommt nun ein erster Appetizer für das brandneue Album "It's a love cult" (VÖ: 30.09.2002, mehr dazu in Notes #91). Aber halt! Motorpsycho wären nicht Motorpsycho, wenn sie nicht auch hier anders als andere verfahren würden. So gibt es auf "Serpentine" nur einen Track vom kommenden Album, dann aber vier (!!!) brandneue Stücke, die dort nicht zu finden sein werden. Und das macht aus der EP ein eigenständiges und wertiges Produkt, das es nur einmal gibt und einmal geben wird.

Der Titeltrack, hier im gekürzten Edit, ist ein filigranes Songmonster mit hypnotischen Singalong-Gesanghooks, einer magischen Leadguitar, federleicht im zurückgenommenen Distortions-Kosmos, angereichert mit zerbrechlichen Piano-Wölkchen – ein großartiger Vorbote auf das neue Album, und garantierter Heavy Rotation-Breaker jeder ausgeschlafenen Radiostation. "Shane 2 AM" ist ein jazzig angehauchter Slowmotion-Track in einer schönen melancholischen Grundstimmung. "Little Ricky Massenburg" vereint traumhafte Piano-Riffs mit Akustischen, bevor ein Sixties-mäßiger Beat und mehrstimmiger Gesang an den lyrisch- verstiegenen Syd Barret gemahnen. "Snafu" kommt auf "Interstellar Overdrive"-Überholspur, um dann in chorlastige Vocal-Hooks und psychedelische Harfenklänge zu gleiten, die Gitarren explodieren, das Ganze könnte gut aus der Pretty Things-S.F. "Sorrow / Parechute"-Ära stammen. Da funkelt die Hoffmansche Säure hinter jeder Note. Zuletzt kredenzen Motorpsycho uns mit "Fade to gray" [sic!] noch einen pianolastigen, hämmernden Rocker mit heftigen, ausufernden Gitarrentreatments und pumpenden Orgelklängen. Früher nannte man so etwas nur gut, psychedelisch und ein Beleg für Genre-Sachverstand. Und noch etwas wird klar: Motorpsycho werden mit jeder Veröffentlichung besser und musikalisch immer noch tiefer. So ist "Serpentine" weit mehr als eine Bestandsaufnahme des derzeitigen Motorpsycho-Wirkens / Musikgeschmacks, die EP ist schlichtweg ein eigenständig dastehendens musikalischens Füllhorn großartiger Musik, eine atemberaubende Reise durch wilde und kurvenreiche Klang-Serpentinen.

jmm