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  [media stories: 2001: german]




Motorpsycho
Kleine Taschensymphonien

Interview / feature around the Phanerothyme release
taken from the German e-zine
GÄSTELISTE, September 2001.
German. Found at the gästeliste site.


Motorpsycho in 2001  

Die norwegische Band Motorpsycho wurde 1989 in Norwegen gegründet, seitdem hat das Trio fast jährlich einen Longplayer plus mehrere EPs bzw. Singles herausgebracht; mit entsprechender Frequenz wurden zunehmend ausgedehnte Europatourneen absolviert und wenn die Musiker daheim in Trondheim sind, wird vier bis sechs mal pro Woche, vier bis sechs Stunden zusammen probiert. Schwer vorstellbar, daß dies nicht mit gehörigen Reibungsverlusten und Spannungen einhergeht, aber dem Trio nimmt man es wirklich ab, wenn sie feststellen: "Wir sind drei Freunde, die gemeinsam Spaß haben und froh sind, daß sie mit ihrer Musik gerade genug Geld verdienen, um das zu tun, was sie tun wollen: Touren und Musik machen."

Tatsächlich stürzen sich die drei immer wieder ins musikalische Abenteuer und produzieren ziemlich elaborierte Scheiben, auf denen sie sich irgendwo zwischen Progressive, Hardrock und den verschiedensten Stilelementen der 60er und 70er Jahre neu erfinden. "Für mich sind unsere Alben wie Tagebücher. Wenn ich eines von ihnen höre, kann ich fast riechen, wie das Leben damals war... und ich kann auch nicht sagen, daß eines besser wäre als das andere. Sie zeigen, für was wir uns damals interessiert haben", erklärt Bassist und Sänger Bent sein Verhältnis zum eigenen Werk und seiner Entwicklung. Die Musik hat sich entsprechend von Platte zu Platte deutlich verändert. Früher wurden Alben mit langen, auf wenigen Akkorden basierenden Stücken aufgenommen, seit einigen Jahren interessieren sich die drei vermehrt für Komposition und Arrangement. Am deutlichsten ist dies auf der neuesten Platte "Phanerothyme" zu spüren, die sie im Osloer Studio des A-ha Engineers eingespielt haben. Jeder Song soll wie eine kleine Symphonie sein, eine Reise oder ein Film, dessen Plot durch verschiedene stilistische Elemente strukturiert ist. "Was neu ist, ist die Art der Instrumentierung", erläutert Drummer Hakon. "Wir haben schon auf 'Let Them Eat Cake' zusätzliche Instrumente eingesetzt, jetzt sind praktisch in jedem Song Streicher und Bläser zu hören und wir haben unsere Stimmen als Instrumente entdeckt."

Die Zeit im Studio war dementsprechend von den Zwängen orchestralen Arrangierens geprägt. In den ersten drei Wochen wurden die Tracks der Band aufgenommen, dann kamen jede Menge Studiomusiker, die binnen kürzester Zeit einspielten, was vorher nur auf Papier existent war. Ziemlich aufregend für die Musiker, die selbst kaum Noten lesen können. "Du erträumst die Songs in deinem Kopf und dann musst du Monate oder Jahre warten, um das Ergebnis zu hören. Das ist ein ziemlich gutes Gefühl zu sehen, wie ein Song nach dem anderen ans Tageslicht kommt und du merkst: Hey, sie funktionieren", meint Gitarrist Snah.

Ähnlich wie beim letzten Album sind bei der Arbeit an "Phanerothyme" wieder eine ganze Menge Songs auf der Strecke geblieben, die in eine ziemlich ähnliche Richtung gehen. Die wollen zu Ende geschrieben werden, bevor sie sich alt anfühlen. Dann noch ein paar neue Songs schreiben und vielleicht schon zu Ostern gibt es ein neues Album, und natürlich auch eine Tour. Also schreiben, proben, aufnehmen, touren, schreiben, proben, aufnehmen... Urlaub? "Touren ist für uns wie Urlaub!" Die kreative Arbeit ist ein Flow, der nicht zu stoppen ist. "Mein Kopf ist wie eine Festplatte, wenn erstmal 15, 20 Songs drauf sind, gibt es Kapazitätsprobleme. 'Overload', 'Overload', machen dann meine Augen und ich muß das Material aufnehmen, um Platz für neues zu schaffen", erklärt Bent seine Besessenheit, ihren "Leifschteil", seine Kollegen nicken Zustimmung.

Dirk Ducar