home

  [media stories: 2001: german]




Motorpsycho
Auf der Suche nach der Pop-Symphonie im Taschenformat

Massive band feature on occassion of the Phanerothyme release
taken from website of German media retailer
WOM, September 2001.
In German. Found at the wom site by Kristoffer
and sent in by Thorsten Schmidt, the man himself.

history | interview | on the road | stickstock

  Bent in 1997

Bent: "Die Songs an sich stehen jetzt stärker im Mittelpunkt als jemals zuvor, somit ist auch der Gesang wichtiger geworden. Eine weitere Neuerung: wir haben wir zum ersten Mal mit Pro-Tools (digitales Aufnahmeprogramm) gearbeitet. Während wir früher 22 Spuren mit den Instrumenten belegten und dann noch 2 Spuren für den Gesang frei hatten, haben wir diesmal Schlagzeug und Bass analog eingespielt um den Sound richtig hinzukriegen, und sind dann zu Pro-Tools übergegangen. So waren für den Gesang theoretisch mehr als 140 Spuren frei, und wir haben viel mehr Zeit Mühe in die Vocals hineingesteckt.
Die Songs brauchten das diesmal auch... Wir sind auf der Suche nach der "Pop-Synfonie im Taschenformat", à la Brian Wilson – in vier Minuten mehr sagen als in 20. Das ist eine reizvolle Herausforderung, davon abgesehen macht uns die neue Herangehensweise auch sehr viel Spaß. Es hat einige Jahre gedauert bis wir mutig genug waren mehrstimmigen Gesang auf der Bühne und im Studio auszuprobieren, und wir sind auch noch keine gute Gesangsgruppe, aber wir befinden uns damit ja auch gerade erst am Anfang."

Beeindruckendes Beispiel für die neuen Sangeskünste sind Bents Gesangslinien beim Sommerregen-leichten "B.S.", und die extreme dynamische wie emotionale Entwicklung bei "Painting The Night Unreal" – einem Song übrigens, den auch Pink Floyd in den Siebzigern nicht besser hingekriegt hätten. In "Landslide", versucht sich Snah erfolgreich in ungeahnten Höhen und Tonsprüngen, und im beatlesquen und zeitlos-schönen "When You're Dead" zeigt Hykon, wie schon auf "Walkin' With J." (LET THEM EAT CAKE), sein gesangliches Können. Was bedeutet eigentlich der Name PHANEROTHYME?

Motorpsycho - the Amish people in 2001  

Bent: "'Phanerothyme' ist der Versuch Aldous Huxleys, das zu beschreiben, was wir heute unter einer "psychedelischen Erfahrung" verstehen. Huxley ('Schöne neue Welt', 'Die Pforten der Wahrnehmung') und sein Freund Humphrey Oswald waren auf einem Trip und fanden einfach keinen Begriff für das soeben erlebte. Also entschieden sie sich, ein neues Wort zu erfinden. Huxley war für "Phanerothyme", Oswald's Vorschlag war "Psychedelics" – was sich schließlich durchsetzte. Es geht bei beiden Wörtern um dieselbe Sache, nur wird 'Phanerothyme' eben heute noch nicht mit irgend etwas in Verbindung gebracht. Den Ursprung hat das Wort irgendwo im lateinischen oder griechischen, wo es für "Geist" oder Seele" steht, und das ist es auch worum es im Grunde geht. Außerdem ist es ein hübsches Wort!

Aus dem "Cake" ist eine liebevoll verzierte Torte mit mehreren Schichten geworden, mal süß-zuckrig, dann wieder stark Rum-getränkt, und ab und zu beißt man auf überraschende Hasch- und Schokoladestückchen. Neu ist der Einsatz von für Motorpsycho eher ungewöhnlichen Instrumenten wie Trompete, Horn, Flöte oder Tuba...

Håkon: "Wir haben eine unserer Lieblingsbands mit in's Studio eingeladen, die Jazzband 'Jaga Jazzist' aus Norwegen. Das sind zehn oder zwölf sehr junge Leute mit zwei Schlagzeugen, vielen Keyboards, Tuba, selbstgebauten Instrumenten usw... Die Musik die sie machen könnte die Leute in ganz Europa interessieren, nicht nur in Norwegen. Vor einigen Jahren haben sie uns Tapes geschickt und wir haben sie in's Vorprogramm genommen..."

  Motorpsycho - «Phanerothyme» - cover - front

Bent: "Man könnte es 'Instrumental-Jazz' nennen, und live ist es eher so als ob man P- Funk sehen würde, sehr hypnotisch. Es ist großartig 14 Leute in Kostümen auf der Bühne zu sehen die ihr ganz eigenes Ding machen. Wir wollen sie unterstützen, denn sie sind wirklich richtig richtig gut! Diese Typen waren 15 als TIMOTHYS MONSTER rauskam (1994), und wir haben sie immer im Auge behalten."

a Norwegian compilation - cover  

Um einen Überblick über die alternative Musikszene Norwegens zu erhalten, empfehlen wir den Sampler THE OSLO AGREEMENT, auf dem neben Deathprod (siehe ROADWORKS, Vol.1) u.a. auch die genannten Psycho-Jazzer Jaga Jazzist vertreten sind.

Für gewöhnlich spielen Motorpsycho auf ihren Konzerten jeweils auch gänzlich neue Songs, von denen es später auch einige auf ein Album schaffen.

Einer dieser Songs ist "Go To California", der schon seit einiger Zeit fester Bestandteil des Liveprogramms war und jetzt endlich auf sieben Minuten Länge, mit Doors-trunkener Orgel, auch die richtige Umsetzung im Studio fand. Wie sah es mit dem Song-Output vor den Aufnahmen zu PHANEROTHYME aus, gab es einen großen Fundus an Songs, und waren die Stücke bereits fertig durcharrangiert?

  Bent - live in 2000

Håkon: "Wir haben uns sehr gut vorbereitet. Bevor wir in's Studio gingen, hatten wir exakte Demos mit den einzelnen Gesängen und Harmonien und so. Von daher war alles schon von vornherein gut geplant. Diesmal gibt es auch keine B-Seiten, keine 'left-overs'. Wir haben sechs Stücke aus den Sessions, die wir nicht fertiggestellt haben. Aber die sind so gut, dass wir sie nicht als B-Seiten 'verpulvern' wollen. Sie könnten aber schon das Fundament für unser nächstes Album sein!"

Bent: "Indem wir die Songs vorab live ausprobieren wachsen sie auch, entstehen Teile und Harmonien, entwickeln sie sich. Leider ist es nicht immer leicht solche Songs dann auch im Studio aufzunehmen. Da ist ein Song – 'Fade To Grey' – den wir zwar bereits seit fünf Jahren in verschiedenen Versionen spielen, der aber noch immer nicht vollendet ist. Die Songs die du am besten kennst, lassen sich oftmals im Studio am schwersten aufnehmen."

Snah: "Wir haben 17 Songs in 14 Tagen aufgenommen. Als wir jedoch nach Hause kamen war das Ergebnis nicht sehr befriedigend, schließlich war es nur das Gerüst, der 'Rahmen' der Songs. Nach einigen Wochen gingen wir erneut in's Studio und fügten Schichten hinzu, und langsam kam das Gefühl 'rüber, dass Du da einen Song vor dir hast. Es ging nicht innerhalb von zwei Stunden – und fertig, diesmal war es ein langer, zeitintensiver Prozess. Aber ich denke das es sehr wichtig ist eine Unsicherheit bei diesem Entstehungsprozess zu spüren, als ob man die Kontrolle verlieren würde – denn so konzentriert man sich umso genauer auf den Song."

Thorsten Schmidt